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2. Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, deren Kinder und Pflegebefohlene
ohne gesetzlichen Grund und trotz erfolgter amtlicher Aufforderung der Impfung
oder der ihr folgenden Gestellung (§ 5 Reichsimpfgesetz) entzogen geblieben find,
mit Geldstrafe bis 50 Mark oder mit Haft bis zu 3 Tagen bestraft werden.
Liegnitz, den 12. Mai 1876.
Königliche Regierung. Abteilung des Innern.
2. Instruktion zum Gwecke der Ausführung des Reichsimpfgesetzes
für die Leiter und ersten Lehrer der uns unterstellten öffentlichen
Schulen, sowie für die Dorsteher und Dorsteherinnen von Drivatschulen
(mit Ausnahme der Sonntag= und Abendschulen), vom 0. Mai 1876.
Auf Grund der Bestimmung ad 4 des Erlasses der Herren Minister des
Innern und der geistlichen, Unterrichts= und Medizinalangelegenheiten vom
19. April v. Is. (Ministerialbl. S. 99) ordnen wir zum Zwecke der Ausführung
des Reichsimpfgesetzes vom 8. April 1874 (Reichsgesetzbl. de 1874 Nr. 11) unter
Dezugnahme auf das von uns am heutigen Tage erlassene Impfregulativ, an
was folgt:
§ 1. Die Leiter und ersten Lehrer an öffentlichen Schulen, sowie die Vor-
steher und Vorsteherinnen von Privatschulen haben bei Aufnahme von Schülern
(Schülerinnen) in die ihrer Leitung unterstellte Schule festzustellen, ob dieselben
geimpft (vacciniert) resp. wiedergeimpft (revacciniert) worden find und zu diesem
Behufe das ärztliche Impf= resp. Wiederimpfungsattest einzufordern.
§ 2. Vermögen die Angehörigen der Schüler (Schülerinnen) das be-
zeichnete Attest uicht beizubringen, auch nicht durch ein ärztliches Zeugnis den
Nachweis zu führen, daß das Schulkind in den letzten fünf Jahren die natürlichen
Blattern überstanden habe, so find, soweit dies jüngere Schüler (Schülerinnen)
betrifft, deren Eltern, Pflegeeltern oder Vormünder aufzufordern, die Impfung
derselben bis spätestens zu dem nächsten für die öffentlichen Impfungen an dem
betreffenden Orte festgesetzten Termine bewirken zu lassen.
Bei Renitenz ist an die mitunterzeichnete Abteilung unseres Kollegiums
für Kirchen= und Schulwesen zur Entscheidung zu berichten.
§ 3. Von der Impfung älterer, bis dahin nicht geimpfter, dem wieder-
impfungspflichtigen Alter (§ 1 Ziffer 2 des Reichsimpfgesetzes), nicht fernstehender
Schüler (Schülerinnen) ist bis dahin abzusehen, wo dieselben in dieses Alter
eingetreten find.
§ 4. Alljährlich kurz vor Beginn der öffentlichen Impfungen am Schul-
orte haben die ad § 1 bezeichneten Leiter und Lehrer usw. über die ihrer
Schule angehörigen Schüler (Schülerinnen), welche im laufenden Kalenderjahre
ihr 12. Lebensjahr vollenden (§ 6 des Reichsimpfgesetzes) eine Liste nach dem
von dem deutschen Bundesrate vorgeschriebenen Formulare (Formular V) in
duplo aufzustellen und das Unikat und Duplikat der Liste der Ortspolizeibehörde
nach Ausfüllung der Kolonnen 1—6 des Formulars noch vor dem Beginne der
öffentlichen Impfung zuzustellen.
§ 5. In diese Liste find die Namen sämtlicher in das wiederimpfungs-
pflichtige Alter gelangten Schüler (Schülerinnen) einzutragen.
Sollten sich unter denselben solche befinden, welche ausweislich ärztlicher
Atteste in den letzten fünf Jahren die natürlichen Blattern überstanden haben
oder mit Erfolg geimpft worden sind, so ist ein Vermerk darüber seitens der
ad § 1 bezeichneten Leiter und Lehrer usw. in Kolonne 19 der Liste anzubringen
und die bezüglichen ärztlichen Atteste sind der Liste beizufügen.