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des Feldmarschalls Wrangel kommandierten Leutnant Schei-
bert, bekannt durch seine vorjährige Teilnahme am Sezessions-
kriege als Führer bei einer Besichtigung der Schanzen.
Scheibert fand Bismarck und den ihn begleitenden Legations=
rat v. Keudell in seiner Wohnung zur Abfahrt bereit. Der
Minister im alten Filzhut und Militärüberzieher fragte, als
Scheibert ihn erstaunt anblickte, halb scherzend: „Nun, Leutnant
Scheibert, wofür würden Sie mich halten, wenn Sie mir auf
der Straße begegneten?“ — „Für einen Registrator, der gerne
zeigt, daß er auch Landwehroffizier ist.“ Auf der Fahrt nach
Düppel mußte Scheibert viel von Amerika erzählen. Auf
die Bemerkung Scheiberts: die Amerikaner seien in der Re-
publik groß geworden, sie sei die historisch-organisch entstandene
Regierungsreform, es sei Revolution, wollte man auf diesen.
Stamm eine Monarchie aufpfropfen, klopfte Bismarck Keudell
auf die Schulter und sagte: „Sehen Sie mein altes Wort:
Konservativ ist nur das historisch gewordene, die amerikanische
Republik ist eine konservative Form, Napoleons Kaiserreich
ist eine Revolution, die englische Konstitution ist konservativ,
unsere revolutionär.
Diesmal werdet Ihr mit mir zufrieden sein. Und Fett
muß für Preußen abfallen, es soll nicht wieder heißen, daß
die Feder verdarb, was das Schwert erwarb.
Es heißt immer, die Sprache sei dazu da, um die Gedanken
zu verbergen, das ist ein diplomatischer Grundsatz, d. h. die
Lüge ein Prinzip. Solle nun die Lüge, die jeden Stand
schändet, einen der vornehmsten Stände schmücken und dessen
Glieder zu Schuften erniedrigen?“
Im Laufe der Unterhaltung kam Bismarck auch auf die
Abmessung der Kräfte der Staaten zu sprechen und äußerte,
daß er unter Mißachtung der bisher üblichen Traditionen vor-
stellers Majors z. D. Scheibert: „Mit Schwert und Feder“,
Verlag von Mittler und Sohn Berlin.