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Bauern an der Elbe würde jetzt wohl keiner ein Ehren—
amt übernehmen wollen, obgleich sie ihren Kindern Haus-
lehrer halten und Klavierunterricht geben lassen, und sich
in den vordersten Reihen der Zivilisation fühlen.“)
Berlin, Ende Januar 1870.
Aeußerung, betreffend die Steuerreform in
Preußen und im Zollverein.
Bismarck: „Die Diskussion der Steuerprojekte angesichts
neuer Wahlen hat stets ihr gutes. Man möge die Vorlagen
betreiben ohne Leidenschaft und stets zeigen, daß nicht die
Regierung, sondern daß das Land leidet, wenn die Eröffnung
neuer Einnahmequellen versagt wird. Was die einzelnen
Steuern anlangt, so empfehle ich für den Zollverein eine
solche auf Tabak, Kaffee und Petroleum, für den Nord-
deutschen Bund möchte sich eine Stempelsteuerreform trotz der
sich darbietenden Schwierigkeiten empfehlen, außerdem eine
Besteuerung des Bieres und der Kartoffelstärke, da deren
Fabrikation nicht die für die Landwirtschaft wertvollen brauch-
baren Futterrückstände liefert wie der Spiritus.“
*) Am 8. Dezember 1869 bestärkte Bismarck während eines
fast dreistündigen Aufenthaltes in seinem Arbeitszimmer Forcken-
beck in der Ueberzeugung, daß er, der Ministerpräsident vor allen
Dingen national, unitarisch deutsch sei, daß er, vermöge dieser
Erundgesinnung gegenüber den inneren preußischen Dingen immer
objektiver wurde, und daß er anfing, mit Milde alle Standpunkte
zu betrachten und aus ihnen das Richtige für das jeweilige Staats-
interesse zu erkennen. Aus Forckenbecks Briefen an seine Ge-
mahlin von M. Philippsohn. „Deutsche Revue“ Februar-Heft 1899.