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Berlin, den 30. November 1855.
Unterrebdung mit dem König Friedrich
Wilhelm IV., betreffend dic österreichischen
Verhältnisse.
Der König hatte Abends eine lange Unterredung mit
Bismarck über Oesterreich. Letzterer äußerte sich über die
Rechberg'schen Reden, und schilderte die österreichischen Verhält-
nisse als noch viel sonderbarer als die preußischen. — „Einen
Krieg Oesterreichs halte ich für völlig unwahrscheinlich, ja
unmöglich. Wenn Oesterreich an einen Krieg dächte, müßte
es notwendig Geld beschaffen und Truppen marschieren lassen.“
Der König sagte Bismarck viel Verbindliches.
München, den 15. Dezember 1855.
Unterredung mit dem König Max von
Bayern, betreffend die bayerische Verfas-
sung.“") "
Der König klagte Bismarck, daß die Opposition besonders
im Beamtenstande Nahrung finde, daß bei der Fortdauer der
jetzigen Verfassung und der Dienst-Pragmatik alle Disziplin
aufhöre, und die Regierung in ihrem Vorgehen gegen die
Opposition von den eigenen Dienern im Rücken angegriffen
werde. Er fragte Bismarck, wie dem abzuhelfen sei, und ob
nicht durch den Bund und nach vorgängiger Verständigung
der größeren Kabinette unter sich, die ständischen Rechte auf
eine allgemeine Norm zurückgeführt und dem parlamentarischen
Mitregieren ein Ziel gesetzt werden könnte.
Bismarck: „Ich rate Eurer Majestät, einstweilen das
neue bayerische Budgetgesetz zu verschleppen, damit es bei
Ablauf des gegenwärtigen nicht fertig ist, dann nach dem
*) Gerlach's „Denkwürdigkeiten"“, Bd. II S. 360.
*.) Kohl, Bismarck-Briefe S. 263.