Full text: Also sprach Bismarck. Band I. 1846 - 1870. (1)

— 59 — 
von 1850 her, wo Persigny französischer Gesandter in Berlin 
war. Bismarck fragte den französischen Staatsmann, den er 
in seinem Kabinett antraf, in ernstem, fast feierlichen Ton nach 
seiner Ansicht über die Angelegenheiten Preußens. 
„Ich kenne die Rolle, welche Sie in der Geschichte des 
zweiten Kaiserreiches gespielt haben, und kenne den Einfluß, 
den Sie auf die Ereignisse, welche zum Triumph der napoleoni- 
schen Sache geführt haben, ausübten. Ich erinnere mich der 
Prophezeiungen, die Sie uns in Berlin machten und die 
sich so wunderbar verwirklicht haben. Sie kennen Preußen und 
den Stand seiner Angelegenheiten. Gestatten Sie mir also, 
Sie zu fragen, wie Sie es anfangen würden, um aus der 
schwierigen Lage, in der wir uns jetzt befinden, herauszu- 
kommen. E 
Diese Situation ist in der Tat sehr kritisch. Die liberale 
Partei ist bei uns vollständig Herrin des Abgeordnetenhauses. 
Aber die Unerfahrenheit dieser Partei ist ebenso groß und 
ebenso gefährlich wie die Ihrer Nationalversammlung von 
1789. In ihrem Streben nach Herrschaft bedroht diese Partei 
nicht nur die Prärogative der Krone, sondern sie will auch das 
Heer desorganisieren, welches die Lebenskraft des Königreichs 
bildet. Wenn wir der Kammer nachgeben, so sind die Folgen 
dieses Sieges der liberalen Partei leicht vorauszusehen. Sie 
wird die konservative Partei vernichten, das Königtum demü- 
tigen, das Heer desorganisieren und auseinanderreißen, dann 
sich aber selbst zersplittern. Die ehrenwerten und gutgesinnten 
Liberalen werden von den gewalttätigen und ehrgeizigen über- 
flügelt werden; wir werden nach und nach Demagogen in 
die Hände fallen und alles wird verloren sein. Leisten wir da- 
gegen Widerstand, so sind dabei andere Folgen zu befürchten. 
(dae Datum der Unterredung ist nicht näher angegeben; Bis- 
marck war in Paris Botschafter von Mai bis September 1862). 
Die von Persigny gegebene Version klingt in manchen Teilen 
nich! sehr glaubwürdig und ist mit Vorbehalt aufzunehmen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.