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einen Ausgleich an. Er bat Bismarck, Erklärungen abzu—
geben, welche geeignet seien, über das Fallenlassen des Amen-
dements zu beruhigen.
Bismarck: „Ach was, das sind alles Doktorfragen. Ich
gebe gar keine Erklärungen. Sie umgeben mich mit einem
Kordon, wie wenn ich die Rinderpest hätte. Wenn
ich wollte, könnte ich mit dem Bundesrat allein noch jetzt
durch eine einfache nachträgliche Aenderung des Friedens-
vertrages alle Ihre Amendements illusorisch machen.
Sie behandeln mich nicht auf dem Fuße der GEleich-
berechtigung.
Wenn Sie Jemand anderes wissen, ich ergreife gern
jede Gelegenheit zu gehen.“)
Am 7. Juni 1871 hatte Herr v. Kühlewetter in Berlin
eine längere Besprechung mit Bismarck in Bezug auf die
Organisation der Reichslande. Die Frage, ob als Zentral-
stelle Straßburg oder Berlin ausersehen werden sollte, war
noch offen.“)
*) Eugen Richter bemerkt a. a. O.: „Das Zimmer der
Budgetkommission im Abgeordnetenhause, in welchem sich Vor-
stehendes abspielte, ist Zeuge mancher heftigen Verhandlung zur
sogenannten Konfliktszeit gewesen. Aber diese Verhandlung über-
stieg nach Aussage altpreußischer Abgeordneter aus jener Zeit
alles bisher Dagewesene. Abends 11⅛½ Uhr war die Komödie
zu Ende; die Nationalliberalen hatten sich unterworfen. Das
angefochtene Amendement erhielt eine bedeutungslose Fassung da-
hin, daß nicht ohne Zustimmung des Reichstages auch das ganze
Deutsche Reich, also über die Reichslande hinaus, mit Anleihen
oder Garantien belastet werden könne. Dergleichen war selbst-
verständlich niemals beabsichtigt worden. Fürst Hohenlohe schreibt
ü. d. denkwürdige Kommissionssitzung in seinen Denkwürdigkeiten,
Bd. II. S. 58: „Hier saß nun auch Bismarck anfangs sehr
borstig. bis er durch kluge Behandlung der Kommissionsmitglieder
endlich dahin gebracht wurde, daß er lgar nicht mehr wußte,
warum er sich erbost hatte.“
"“) Am 8. Juni 1871 erhielt Kühlewetter die offizielle Mit-