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Berlin, 3. Juli 1871.
Unterredung mit dem Professor und späteren
Geh. Leg.-Rat Ludwig Aegidi, betreffend dessen
Aufgaben als politischer Preßdezernent, die Auf-
hebung der katholischen Abteilung im Kultus-
ministerium.“
Bismarck: „Wir haben uns gegenseitig erwartet! Sie
dachten, ich müßte Sie rufen lassen; ich meinte, Sie würden
von selbst kommen.“ Bismarck wies Aegidi einen Platz an
seinem Schreibtisch ihm gegenüber an und fragte, ob er rauche;
auf eine bejahende Antwort suchte Bismarck nach einer Zigarre,
fand aber keine, worauf er die Glocke zog, und die Fürstin
erschien. Als Bismarck Aegidi seiner Gemahlin vorstellen
wollte, hieß sie ihn als alten Bekannten willkommen. Mittler-
weile hatte Aegidi die Zigarren in einem Becher entdeckt;
der Fürst reichte ihm Streichhölzer und begann, nachdem seine
Frau sich zurückgezogen hatte, Aegidi zunächst in seine Auf-
gabe als Preßdezernent einzuführen. „Der leitende Staats-
mann hat sich mit der öffentlichen Meinung durch die Presse
ins Benehmen zu setzen; mit ihr regelmäßig zu verkehren;
dazu fehlt mir, dem mit Geschäften Ueberbürdeten, die Zeit
und die Kraft. Ich bedarf dazu eines Sprachrohres, eines
Vermittlers, der gleichsam bei der öffentlichen Meinung be-
glaubigt ist. Darin liegt der Zweck und die Aufgabe Ihres
Dezernats.“
Im Vordergrunde der öffentlichen Interessen befanden
sich damals die Verhältnisse von Staat und Kirche. Seiner
Stellung zu ihnen, insbesondere zur römisch-katholischen Kirche,
widmete Bismarck eine umfassende, erschöpfende Mitteilung.
„Sie wissen, wie die vage Allgemeinheit der Ausdrücke der
preußischen Verfassungsurkunde von 1850 über die „Frei-
“) Nach der Darstellung Aegidis in der „Deutschen Revue“,
XXIII. Jahrgang, Bd. IV, Seite 106.