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sich wohl jemand finden. Jedenfalls wird der Antrag, er
mag ausgehen, von wem er will, im Schoße des Bundes-
rats günstig aufgenommen werden. Alle werden damit ein-
verstanden sein, vielleicht mit Ausnahme des Herrn von
Perglas.") Im nächsten Frühjahre wird übrigens auch das
Reichskanzleramt mit Abänderungen des Strafgesetzbuches her-
vortreten. Ich möchte aber nicht, daß Ihr Antrag deshalb
bis zum Frühjahr vertagt wird. Ich halte es im Gegen-
teil für gut, das Publikum durch solche Anträge, wenn sie
von der Regierung ausgehen, nicht zu überraschen, sondern
durch die Presse vorbereiten zu lassen.“
Berlin, vor dem 19. November 1871.
Unterredung mit dem Bischof von Mainz, Frh.
v. Ketteler, betreffend das Unfehlbarkeitsdogma
und Angitationen von katholischer Seite gegen
Preußen.“
Im Laufe der eineinhalbstündigen Unterredung erklärte
Bismarck, das Unfehlbarkeitsdogma sei in seinen Augen durch-
aus Nebensache; er wisse sehr wohl, daß das Konzil nur
einen längst schon sehr verbreitet gewesenen Glauben „codi-
fiziert“ habe. Dahingegen glaube er an ein weitverzweigtes
ultramontanes Komplott gegen Preußen, an welchem auch
die Polen teilnähmen, die Familie Radziwill nicht aus-
genommen.
Außerdem betonte Bismarck, daß von Rußland und
Oesterreich her über Polen Preußen ernstlich bedroht sei, daß
die Katholiken in einem weitgreifenden Verbande ständen
*) Der bayerische Gesandte in Berlin.
*½#) August Reichensperger von Ludwig Pastor, Bd. II,
S. 49 und 50.