— 150 —
oder Mühler. Die Entlassung Mühlers und die Aufhebung
der katholischen und evangelischen Abteilung sowie die Zurück-
führung des natürlichen Zustandes, daß der Minister Minister
ist, war die nächste Folge, während bis dahin es als Skandal
galt, wenn der Minister anderer Ansicht als seine katholische
Abteilung war. Nun verband sich alles, was reaktionär
und ultramontan ist. Ein 75jähriger Mann läßt nicht gern
ab von den Gewohnheiten und ist nicht leicht zu radikalen Aen-
derungen zu bewegen. Bei ihm ist das vulgäre Sprichwort:
Es tut dem Hunde weher, den Schwanz stückweise als auf
einmal abzuschneiden, nicht am Platze; ihm tuts weniger
weh, ihn stückweise abzuschneiden. Wäre der Kronprinz am
Ruder, so würde es leicht sein, sofort große organische Neuer-
ungen zu machen. In der letzten Zeit hatten sich die Verhält-
nisse so sehr schwierig gestaltet: Ich war nicht für eine ein-
seitige Vorlage der Kreisordnung und wünschte, daß der
König sofort die Herrenhausreform in der Thronrede hervor-
hebe. Diese ist nun in diesem Jahre nicht mehr möglich, muß
und wird aber im nächsten erfolgen. Ich habe als Minister-
päsident seit zehn Jahren nichts zu tun gehabt, als den alten
Herrn durch Deduktionen, Vorstellungen mürbe zu machen.
Das wird man leid; wenn man nichts zu sagen hat in den
einzelnen Ressorts und nur ewig seine Pläne durchkreuzen
sieht, mußte ich mir sagen: es sei besser, daß andere, die dem
Kaiser auch persönlich nahe stehen und weniger Anhänglichkeit
als ich haben, das undankbare Geschäft des Mürbemachens
übernehmen. So habe ich ihm erklärt: ich will nicht mehr
Ministerpräsident sein, und ich bin ein Amt losgeworden, in
dem Roon bald zur Einsicht kommen wird, daß er handeln muß,
wie ich wollte, wenns gut gehen soll. Doch ich erzähle Ihnen,
anstatt von Ihnen mir erzählen zu lassen.“
Schulte schilderte seine Auffassung der Situation, die
Unterwühlung der Gesellschaft durch den Klerus am Rhein