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katholische Kirche allein Gesetze zu geben; dieser Ansicht sind
auch die anderen Minister, und so wird es dabei bleiben
müssen.“
Schulte: „Also darf ich mit der entschiedenen Ueber-
zeugung scheiden, daß wir an Eurer Durchlaucht eine Stütze
finden und Ihres Wohlwollens versichert sein können?“
Bismarck: „Seien Sie überzeugt, daß ich aufs wärmste
zu Ihnen stehe, persönlich in Sie das größte Vertrauen setze,
daß ich niemals zurückweichen werde und alles tun werde,
eine Sache zu fördern, von der ich fest überzeugt bin, daß
sie dem Staate und der Gesellschaft nützt.“
Schulte: „Darf ich, so oft mir dies gut scheint, mich
an Eure Durchlaucht wenden? Ich begehre keine Antwort,
sondern möchte nur die Möglichkeit haben, Sie in Kenntnis
zu erhalten oder zu setzen von wichtigen Vorgängen. An
wen soll ich Briefe schicken, und versiegelt oder offen?“
Bismarck: „Sie tun mir einen Gefallen, so oft Sie wollen,
mir zu schreiben. Senden Sie alles an Geheimrat Bucher, Sie
können es versiegelt schicken. Ich habe zwar vor Bucher kein
Geheimnis und lasse ihn alles lesen, nehme auch seinen Be-
richt entgegen, aber darum brauchen Sie es nicht offen zu
schicken.“
Schulte dankte mit warmen Worten; Bismarck schüttelte
ihm die Hand, wünschte ihm alles Gute und hoffte, ihn bei
nächster Gelegenheit wiederzusehen.“)
*) Zu dem vorstehenden Referat Schultes bemerken die
„Berliner Neueste Nachrichten“: „Herr Dr. v. Schulte behauptet
zwar, daß er die stundenlange Unterredung unmittelbar nach-
her „wortwörtlich" aus dem Gedächtnis getreu niedergeschrieben.
habe; wir behaupten, daß kein lebender Mensch dazu imstande
ist. So läßt er u. a. den Fürsten bei Erwähnung seines Bein-
leidens von einem Pflaster sprechen, daß „die Nerven avizierte“.
Das muß wohl mindestens „Venen“ heißen. Es ist zur Genüge
bekannt, daß das Unglück des jüngst verstorbenen St. Peters-