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Berlin, 15. März 1873.
Unterredung mit dem jap. Sonderabgesandten
Fürsten Jwakura Marauis Ito und anderen
Mitgliedern der japanischen Gesandtschaft, betref-
fend den Vergleich Preußens mit Japan.“
Nachdem Biemarck seine Biographie von Jugend an er-
zählt hatte, sagte er: „Alle Staaten der Erde verkehren höflich
und freundschaftlich, aber das ist alles nur rein eußerlich.
In Wahrheit denken die Regierungen ganz anders: Von dem
stärkeren Staate wird immer ein Druck auf den schwächeren
ausgeübt, der kleine wird vom großen verachtet. Wie Sie
wissen, war unser Preußen, als ich noch jung war, arm
und schwach; von Jugend auf war mein ständiger Gedanke:
wir müssen emporkommen und groß werden. Das Völkerrecht
bezweckt, die rechtliche Ordnung der einzelnen Staaten zu ein-
ander aufrecht zu erhalten; wenn ein großes Reich Diffe-
renzen mit einem anderen Staate hat, dann wird es alles dem
Völkerrecht entsprechend machen, vorausgesetzt, daß dies für
dasselbe vorteilhaft ist, wenn dies nicht der Fall ist, dann will
es vom Völkerrecht nichts wissen und vertritt seine Ansprüche
mit Gewalt. Das kleine Land kann aber mit Gewalt gar nichts
ausrichten und muß immer nach den Bestimmungen des Völker-
*) Marquis Ito hat auf seiner zweiten Reise nach Europa
im Jahre 1873 drei Wochen, vom 9.—28. März, in Berlin ge-
weilt. Er befand sich damals im Gefolge des Fürsten Iwakura,
der als Sondergesandter nach Amerika und Europa entsandt
war. Ueber diese Reise ist von den Japanern Tagebuch ge-
führt worden. Marquis Ito spielte bei dieser Sondergesandt-
schaft eine bedeutende Rolle als Dolmetscher, denn unter den
48 Personen der Gesandtschaft befanden sich nur einige, welche
europäische Sprachen verstanden. „Staatsbürger Zeitung“ Nr. 1
v. 1. 1. 1902.