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Da Gontaut-Biron nicht durchblicken lassen wollte, daß
er die Tragweite dieser Bemerkung verstanden habe, fragte
er Bismarck über die Gesundheit des Botschafters.
Bismarck: „Ich will seine Abreise von Paris nicht ver-
äögern. Seine Gegenwart ist dort nicht mehr nötig, da
er keinen neuen Beglaubigungsbrief dort abzugeben hat.“
Die Drohung war höchst durchsichtig. Es handelte sich augen-
scheinlich um eine Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen
zwischen Deutschland und Frankreich. Obwohl Gontaut inner-
lich entrüstet war über diese unerwartete, und wie er fand,
brutale Wendung, so erachtete er gleichwohl den Moment
für gekommen, um einzulenken, wozu ihn seine Instruktionen
in letzter Instanz ausdrücklich ermächtigten. Er ließ die Kon-
versation einige Augenblicke sich anderen Tematen zuwenden
und fragte dann den Kanzler ruhig auf den Kopf: „Durch-
laucht, wir sind durch eine Formfrage getrennt. Legen Sie
derselben mit Bezug auf unsere Beziehungen eine große Be-
deutung bei?“
Bismarck: „Ja, eine sehr große.“
Gontaut: „Für mich gibt es nur eine Sache von Bedeu-
tung, d. i. die Fortsetzung unserer Beziehungen in regelrechter
Form, um unliebsame Kommentare der öffentlichen Meinung
zu verhindern. Die neue Beglaubigungsfrage ist für mich nur
eine einfache Formfrage. Ich schaffe dieselbe aus dem Wege,
indem ich es auf die Kappe nehme, Ihren Wünschen zu ent-
sprechen.“ Bismarck zeigte sich befriedigt und die Angelegen-
heit war damit seinen Wünschen gemäß erledigt.
Gontaut: „Jetzt, da wir einig sind, werden Sie, wie ich
hoffe, keine Schwierigkeiten erheben, den Grafen Arnim zu
ermächtigen, sich in offizielle Beziehungen zu dem Herzog-=
von Broglie zu setzen.“
Bismarck: „Gewiß nicht, aber ich muß zuvor Rußland
von dem in Kenntnis setzen, was zwischen uns besprochen wor-
den ist.“