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leidigung nicht erst an die große Glocke hängen. Verstehe
ich Sie recht, so wollen Sie eine Desavouierung der Bischöfe
durch die Regierung, um der öffentlichen Meinung in Deutsch-
land Rechnung zu tragen, die Ihnen Schwäche vorwerfen
würde. Nun gut, Sie haben diese Genugtuung ja bereits durch
die Initiative der Regierung erhalten. Im Uebrigen irren
Sie sich über den Einfluß der Klerikalen in Frankreich. Die
Bischöfe sind allerdings bei uns sehr geachtet: aber weder
sie noch der niedere Klerus haben auch nur den geringsten
Einfluß auf den Gang der Dinge im Staate und in der Ge-
meinde.“
Bismarck: „Ich gäbe dafür eine Provinz, wenn dem
so wäre; aber da muß ich Ihnen doch entgegenhalten, daß
der Klerus den Grafen Chambord in sein Gebet eingeschlossen
hat. Das war doch wohl Politik, und noch dazu, laut ver-
kündigt. Wir haben dagegen keine Finger gerührt, aber
Sie dürfen sich nicht wundern, daß dies nicht nach unserem
Geschmacke ist. Als der Erzbischof Ledochowski von Posen
mich in Versailles aufsuchte, und ich auf den Rat desselben
den Papst gebeten hatte, auf die französischen Bischöfe dahin
zu wirken, ihre Stimme im Interesse des Friedens zu er-
heben, — fürchteten sich dieselben vor der Diktatur in Tours,
und sie wagten nicht für den Frieden aufzutreten, der damals
unter Bedingungen hätte abgeschlossen werden können, die
für Frankreich weit günstiger waren, als die es schließlich
erzielt hat.“
Gontaut: „Die Bischöfe brauchten dem Papste in dieser
Frage nicht zu gehorchen; die Unfehlbarkeit desselben erstreckt
sich lediglich auf die Fragen des Glaubens und der Sitte; im
Uebrigen kann jeder Bischof so handeln, wie es ihm beliebt.“
Bismarck (lächelnd): „Ich habe mich auch etwas auf
das Studium der Theologie verlegt; Ihre Aeußerung be-
weist mir, daß Sie kein so guter Katholik sind, als ich es
angenommen habe.“