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Berlin, 27. Februar 1874.
Unterredung mit dem ungarischen Schriftsteller
Moritz Jokai, betreffend das Verhältnis Deutsch-
lands und Rußlands zu Csterreich.“
Bismarck: „Es ist nötig, daß in Mitteleuropa ein solch
konsolidierter Staat besteht wie die österreich-ungarische Mon-
archie. Das sah ich schon ein, als ich im Jahre 1866 mich
beeilte, Frieden zu schließen, was vielen unserer Freunde nicht
zusagte. Dies= und jenseits der Leitha ist hier das veutsche,
dort das magyarische Element zu regieren berufen. Auch die
übrigen Stämme geben gute Soldaten, aber administratioes
Talent, staatsmännische Kenntnisse, Intelligenz und Besitz
sind doch vorzugsweise bei den Deutschen und Magyaren
heimisch. Alle sind durch eine gemeinsame Geschichte zusammen-
gehalten. Die Errichtung von kleinen Nationalstaaten im Osten
Europas ist unmöglich; es sind bloß historische Staaten
möglich. Deshalb muß die heutige dualistische Staatsform
zwischen Oesterreich-Ungarn aufrecht erhalten werden. Ihre
Geschichte ist auch eine gemeinsame mit Oesterreich; selbst
durch ihre Kämpfe sind sie mit einander verbunden; einst
kämpften sie miteinander, jetzt aber sind sie auf gegenseitigen
Schutz angewiesen. Die Mission, die sie erfüllen, können die
benachbarten Staaten nicht erfüllen. Braucht Deutschland
etwa noch mehr durch geistliche Herrschaft unterwühlte Pro-
vinzen? Auch jetzt noch haben wir gute Freunde, die
uns der Absicht zeihen, als wollten wir die österreichischen
Erblande annektieren. Gott behüte! Wir haben genug zu
schaffen mit Elsaß-Lothringen und mit den dänischen Grenz-
streitigkeiten; wenn es nicht geographische Rücksichten er-
*) Nach der Erzählung von Jokai im „Hon“ (siehe die
„National--Zeitung“, Nr. 109 vom 6. März 1874).