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auch in Ungarn die Agitationen unter den Nationalitäten
aufhören würden, welche jeder für das Werk russischer Hände
halte.
Bismarck: „Sie müssen wissen, daß es zweierlei russische
Politik giebt: die St. Petersburger und die von Konstanti-
nopel. Sowie ein Gesandter nach Konstantinopel geht, wird
er sofort unter den andern zum Narren; diese haben ewigen
Streit und Hader unter einander, sie wetteifern, zanken, intri-
guieren und machen die europäische Politik, als ob sie damit be-
traut wären. Alles das aus gegenseitiger Antipathie, bis man
sie zurückkeruft. Wenn Sie mit russischen Intriguen Un-
annehmlichkeiten haben, so können diese nur von Konstantinopel
herkommen, nicht aus St. Petersburg, sodaß sie gar kein ernstes
Gewicht haben. Der russische Czar und die russische Regie-
rung wollen den Frieden aufrichtig.“
Jokai nahm sich die Freiheit, seine leichte Besorgnis für
den Fall eines eventuellen Herrscherwechsels auszudrücken.
Bismarck: „Glauben Sie, daß der russische Thronerbe
dieselbe Politik befolgen wird, welche der gegenwärtige Czar
festhält ? Er ist ein biederer Familienvater, welcher den Frie-
den und die Ruhe liebt, und dem es gar nicht in den Sinn kommt,
Tamerlanische oder Napoleonische Feldzüge zu planen, das
Testament Peter des Großen auszuführen; der sich freut,
wenn er im Kreise seiner Familie glücklich leben kann. —
Von dieser Seite haben Sie nichts zu befürchten. — Der
einzige Mensch, welcher jetzt den europäischen Frieden stören
könnte, ist der Papst.“
Während der Unterredung hielt Bismarck zwei lange
Bleistifte in der Hand, und als er sagte, daß er nach den
österreichischen Provinzen kein Verlangen trage, demonstrierte
er diesen Ausspruch damit, daß „wir nicht einmal ein großes