— 210 —
meines häufigen. Krankseins liegen vielmehr in meiner
preußischen Stellung: die Geschäfte eines preußischen Pre-
mierministers mit denen des Reichskanzlers zu verbinden, das
ist zuviel für einen Menschen. Dort, das heißt in Preußen,
habe ich niemand, auf den ich mich verlassen kann, wohl aber
klehr viele Feinde, dort muß ich mit Leuten arbeiten, zu
denen ich kein Vertrauen, für die ich keine Sympathie habe.
Vor zwei Jahren habe ich einen großen Fehler begangen:
damals war es für mich möglich, mich ganz aus dem preußischen
Ministerium zurückzuziehen; daß ich dies damals nicht getan,
daß ich vielmehr als Minister der auswärtigen Angelegenheiten
darin geblieben bin, daran ist lediglich Roon schuld. Camp-
hausen war ein ganz geeigneter Premierminister, nun hat
aber Roon die lächerliche Eitelkeit gehabt, selbst Premier=
minister zu werden und da er älter war als Camphausen, so
konnte er nicht von diesem übersprungen werden. Nun will
ich gar nicht bezweifeln, daß Roon früher vollkommen das
Zeug gehabt hat, ein vortrefflicher Premierminister zu werden,
aber vor zwei Jahren war dies entschieden nicht mehr der
Fall, schon deshalb nicht, weil Roon sich schon damals seit
längerer Zeit das Arbeiten ganz abgewöhnt hatte, er machte
ja gar nichts mehr! Einen solchen Premierminister konnte
ich nicht allein wirtschaften lassen; deshalb bin ich im Mi-
nisterium geblieben und habe nur den Vorsitz abgegeben. Nach
dem Abgange Roons habe ich wiederum den Versuch ge-
macht, mich aus dem preußischen Staatsdienst ganz zurück-
zuziehen und auf meine Stellung als Reichskanzler zu be-
schränken. Nun ist es aber dafür zu spät gewesen. Die beiden
Minister Camphausen und Falk, die bilden ja eigentlich das
liberale Element im Ministerium, haben damals geradezu er-
klärt, daß sie den König um ihre Entlassung bitten würden,
wenn ich nicht das Präsidium übernehme. Wären aber diese
beiden abgegangen, dann würde jedenfalls das ganze Mini-