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Kissingen, Mitte Juli 1874.
Unterredung mit dem ersten Staatsanwalt am kal.
Stadtgericht in Berlin, Tessendorf, betreffend die
Folge des Kullmann-Attentats.
Tessendorf war gleich nach dem Attentat in Kissingen
eingetroffen, ebenso Graf Wilhelm Bismarck. Es lag nahe,
daß der Fürst mit Tessendorf auch die politischen Folgen
des Attentats besprach. In den beteiligten Kreisen ahnte
man sofort, daß das Attentat als Ausgangspunkt für Maß-
regeln angesehen werde, zur Verhinderung weiterer
Verbrechen und zur Erzwingung wenigstens des äußerlich kon-
ventionellen Friedens. Das war auch die Ueberzeugung Bis-
marcks. „Wenn wir uns von solchen Vorgängen nicht lehren
lassen, und sie politisch nicht zu benutzen wissen, dann glaube
ich, fehlen wir an unserer Aufgabe und an unserer Pflicht.
Was bei der gegen Kullmann eingeleiteten Untersuchung her-
auskommt, ist meines Erachtens ganz gleichgültig.
Ich bin durch die Verletzung an der Hand noch am
Schreiben verhindert, sagen Sie aber den Herren in Berlin,
ich sei überrascht, daß die politische Natur der ultramon-
tanen Gesellenvereine den betreffenden inneren Behörden nicht
längst klar vor Augen getreten sei. Ich finde darin ein Zeichen
der Unfähigkeit dieser Behörden und zugleich für mich eine Erhei-
terung. Meines Erachtens erwächst der Regierung aus dem Vor-
gang die Pflicht, bei Gelegenheit der Etatsberatungen eine
sehr bedeutende Erhöhung des Postens, betr. die für die Schul-
aufsicht auszuwerfenden Gelder herzuleiten. Machen Sie das
Camphausen klar!“