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Als Lord Odo Russel demnächst auf die zahlreichen deut-
schen Zeitungsartikel hinwies, welche einer entgegengesetzten
Auffassung Raum gäben, antwortete Bismarck: „Die Presse
ist von der Regierung ganz unabhängig, und ich trage für
deren Aeußerungen keine Verantwortung.“
Russel: „Und was ist es dann mit der so sehr drohenden
Sprache, welche die Militärs führen?“
Bismarck: „Die Militärs verstehen ihr Fach sehr wohl,
aber mit der Politik haben sie nichts zu schaffen.“)
Berlin, Frühjahr 1875.
Unterredung mit dem koal. sächsischen Minister Frh.
v. Friesen, betreffend Delbrück.“
Bismarck: „Ich erkenne die große Bedeutung des Staats-
ministers Delbrück, seine umfassenden Kenntnisse und uner-
müdliche Arbeitskraft ebenso unbedingt an, wie die großen
Verdienste, die er sich in seiner amtlichen Stellung erworben
hat, muß aber doch konstatieren, daß er seine Stellung
falsch auffaßt. Er ist weiter nichts, als mein Untergebener
und hat als solcher nur meine Anordnungen und Sdeen,
nicht aber seine eigenen auszuführen. Dies verkennt er aber
gänzlich; sein Auftreten nach außen hin ist immer von der
*) Nach derselben Quelle (S. 328) bemerkte Bismarck ge-
legentlich Otto Russel gegenüber: „Die Kaiserin ist unser eigent-
licher Minister des Aeußern im Reiche, und Herr v. Gontaut
ist der Minister unserer Landesherrin. Das muß aufhören, —
oder ich ziehe mich zurück.“ — Nach einer den „Hamburger
Nachrichten“ entnommenen Notiz der „Voßischen Zeitung“ vom
16. Mai 1873 Nr. 112, verwahrte sich Bismarck in einem Ge-
spräche mit dem Fürsten Gortschakow (dasselbe muß in die Zeit
vom 10.—13. Mai gefallen sein) gegen die Absicht, Belgien zu
bedrohen und sich seinen Garantiepflichten zu entziehen.
*) Freiherr v. Friesen, Erinnerungen, Bd. III, S. 377.