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Art, als ob er selbst eine maßgebende und entscheidende Per-
sönlichkeit sei und dadurch hat er es auch erreicht, daß
er wirklich von anderen und in der Presse als eine solche
angesehen wird. Das kann ich mir aber nicht gefallen lassen,
das schadet meinem Ansehen und erschwert mir meine Stel-
lung als Reichskanzler. Ich hätte längst schon gern mit ihm
gebrochen, aber ich kann dies noch nicht, denn er ist mir
zurzeit noch unentbehrlich; ich habe jetzt niemanden, den
ich an dessen Stelle setzen könnte.“
Varzin, 20. August 1875.
Unterredung mit dem württembergischen Minister
v. Mittnacht, betreffend den Kaiser Alexkander,
den Kriegslärm vom Frühjahr, die Presse und
die auswärtige Politik.“
Bismarck: „Der Kaiser von Rußland ist ein Mann,
der Wort hält, und zu stolz und bequem ist, um unwahr
zu sein; er bildet sich ein, ich wolle den Dienst verlassen,
während für mich nur die Gesundheit in Betracht kommt,
wobei es ein aufreibendes Moment ist, daß der Kaiser Wilhelm
neben dem meinigen auch des Rates fürstlicher und anderer
Personen sich bedient. Man hat nicht zu befürchten, daß
Kaiser Alexander von der Freundschaft für Deutschland ab-
gebracht werden kann. Rußland und Deutschland haben
keine widerstreitenden Interessen, ersteres will kein deutsches,
letzteres kein russisches Land, und Rußland braucht einen soliden
mächtigen Bundesgenossen wie Deutschland. Gortschakow denkt
vielleicht anders, auf seine Meinungen aber hat der Kaiser
großen Einfluß.
*) Erinnerungen an Bismarck von Freiherrm von Mittnacht,
S. 52 —54.