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Varzin, 22. August 1875.
Unterredung mit dem württembergischen Minister
v. Mittnacht, betreffend die Kräftigung des Bun-
desrates, die Beseitigung der Matrikularumlagen,
die kirchliche Frage, den Wissensdurst der Bismarck
besuchenden Gesandten.“
Bismarck: „Ich würde sehr wünschen, bei meinen Be-
strebungen, den Bundesrat zu kräftigen, Unterstützung zu finden.
Derselbe sollte nicht nur ein paar Monate versammelt sein
und die leitenden Minister sollten häufiger und gleichzeitig
nach Berlin kommen. Die Vertreter der kleinen Staaten
im Bundesrat sind zu furchtsam. Ihre Fürsten fürchten, bei
nächster Gelegenheit mediatisiert zu werden. Mit Unrecht. Eine
solche Politik kann der Kaiser nicht wünschen, und wenn ein
Teil der Reichsverfassung fiele, könnten auch andere Teile
fallen. Im Interesse der Kleinen muß man die Matrikular-
umlagen los werden, aber der Reichstag will die Regierungen
nicht unabhängig werden lassen.
In der kirchlichen Frage hat man in Preußen das
Schlimmste hinter sich. Die Maigesetze, denen ich nach der
Art ihrer Entstehung ziemlich fern stehe, sind in manchen Be-
ziehungen verfehlt, juristische Nörgeleien, Verfolgung einzelner
Personen. Es ist ja traurig gewesen — diese peinliche Nach-
forschung nach den Päpstlichen Delegierten, der Staat als
schwer Geharnischter hinter leichten Reitern her, als Gendarm
mit dem Schleppsäbel hinter leichtfüßigen Uebertretern her-
kommend; er wird mit Steinen geworfen und hat die Sympa--
thien nicht, sondern wird ausgelacht. Ich habe nur die Wieder-
herstellung des landrechtlichen Zustandes gewollt. Wieder-
herstellung einer starken Defensivstellung des Staates gegen-
über der aggressiven katholischen Kirche; das ist erreicht; weiter-
*) Nach der vorhin erwähnten Quelle, S. 58 f.