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Berlin, 11. April 1876.
Fortsetzung der vorerwähnten Unterredung.
Bismarck: „Die preußischen Privatbahnen muß ich unter
allen Umständen bekommen, sei es für das Reich, sei es für
Preußen. Eine größere Privatbahn mit ihren reich dotierten
und einflußreichen Direktoren und ihrer großen Beamtenzahl
ist ein Staat im Staate; die beliebige Verfügung über Tarif
und Verkehr im Interesse der Aktionäre und Tantiemen-Emp-
fänger kann in einem geordneten Staatswesen nicht geduldet
werden. Die Staatsbahnen der anderen Staaten brauche ich
nicht; die gehen mich nichts an. Es fragt sich, ob ich sie alle
annehmen würde, wenn sie mir angeboten würden. Die Ver-
einigung der Reichsaufsicht und der Territorialaufsicht über
das beherrschende, preußische Eisenbahnnetz wird genügen, um
auch in die übrigen Bahnverwaltungen Einheit zu bringen.
Uebrigens ist ja auch jeder Staat berechtigt, die Abtretung
seiner Eisenbahnen, wenn sie verlangt würde, zu verweigern.
Ich mache auch keine Kabinettsfrage aus der Ablehnung des
Ankaufs seitens des Reichs; ich klopfe an die Türe des Reichs;
wird diese nicht aufgetan, so gehe ich ohne Zorn davon und
mache mich an die Aufgabe, die Sache durch und für Preußen zu
regeln. Hier ist die Sache weniger schwierig; nur werde ich
mit den jetzigen Personen nicht wirtschaften können; da muß
ich Bresche legen; hier wird ein Eisenbahnministerium zu
bilden sein, welches aber zunächst ein Eisenbahn-Erwerbe-Mi-
nisterium werden und für die Erwerbung der Privatbahnen
sorgen muß. Das Handelsministerium kann die Bahnen nicht
behalten.
Im Reiche zu reüssieren, dazu habe ich jetzt keine großen
Aussichten; möglich ist es, eine kleine Majorität im Bundes-
rate zu erlangen; doch habe ich mich bisher immer gescheut,
große Angelegenheiten mit kleinen Majoritäten zu erledigen.