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machen will, stelle ich die Kabinettsfrage, und da mich der
König nicht gehen läßt, lösen wir auf. Sie scheinen es übrigens
verschleppen zu wollen. Ein Jahr länger kann vielleicht nichts
schaden, dann werden inzwischen die Wahlen besser. Auch
werden die Ultramontanen, mit denen überhaupt kein ewiger
Band zu flechten ist. auf die Finanzzölle wohl nicht eingehen.
Dann aber lösen wir auf; denn wir fassen die Reform als
Ganzes auf, von dem nichts wegfallen darf.
Nützlich könnte es für die eventuellen Wahlen sein, die
Privatstellung und Lebensverhältnisse der bei der Zolltarif-
reform in der Opposition befindlichen Abgeordneten festzustellen.
Es muß gezeigt werden, daß die Mehrheit unserer Gesetzgeber
aus Leuten besteht, die mit praktischen Sachen nichts zu
schaffen haben, die kein Auge, kein Ohr, kein Gefühl für
die Interessen haben, die die Regierung hier vertritt. Ge-
lehrte, besonders die Führer, die Hauptredner. Leute der
Theorie, denen die Wirklichkeit nicht ans Herz gewachsen ist,
die ihr Wissen nicht aus ihr haben, sondern aus Büchern,
sollten nicht mehr allein die Macht haben und den Haupt-
einfluß in der Gesetzgebung.“ )
Berlin, 16. Mai 1879.
Wiederholte Konferenzen Bismarcks mit Bennigsen über
die Erhöhung des Kornzolls auf 50 Pfennig. Im Juni
einer Gruppe von Abgeordneten und Journalisten, die einem
seit 17 Jahren ims Reichstag tätigen Journalisten zuhörten, der
den Kanzler in Ton, Stimme und Haltung kopierte und eine
Rede fingierte, wie er sie bei der bevorstehenden Diskussion.
möglichenfalls halten würde. Als sich Bismarck unerwartet dem
Imitator gegenüber befand, äußerte er: „Sie sind ja der reine
Bismarck II. Wenn Sie etwa auch regieren können, so will
ich froh sein. Ich werde dann ruhig mein Amt niederlegen und
Sie Seiner Moajestät als meinen geborenen Nachfolger empfehlen.“