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zwischen Rußland und Oesterreich zu optieren. Ich bin der
Meinung, daß man diesem Zwange sich nicht unterwerfe und
den russischen Hochmut zurückweise, und wenn wir zu optieren
haben, würde ich für Oesterreich optieren. Oesterreich ist ein
konstitutioneller friedliebender Staat, der unter den Kanonen
Deutschlands liegt, während wir Rußland nichts anhaben
können. Uebrigens zeigt ein Blick auf die Karte, daß ein
feindliches Oesterreich namentlich Süddeutschland bedrohen
würde. Ungarn ist für Deutschland, und England würde
sich wohlwollend verhalten. Stehen die beiden großen Nach-
barmächte, die eine Streitmacht von zwei Millionen Kämpfern
in das Feld führen können, zusammen, so haben sie nie-
mand zu fürchten.
Der Moment ist nun gekommen, mit Oesterreich ein Ab-
kommen zu treffen an Stelle des alten Bundes, eine Art
Verfassungsbündnis, von dem ich wünschen möchte, daß es
Kraft und Wirksamkeit eines Gesetzes erhielte. Verschafft
man Oesterreich nicht jetzt eine Beruhigung für gewisse Fälle,
so gerät es ins Treiben und fällt entweder Rußland oder
Frankreich anheim. Dabei handelt es sich nicht darum, ag-
gressiv gegen Rußland vorzugehen oder Krieg zu suchen. Ich
habe vom Kaiser die Ermächtigung erhalten, auf der Rück-
reise von Gastein in Wien mit dem Grafen Andrassy über
ein Defensivbündnis einem etwaigen Angriffe Rußlands gegen-
über zu verhandeln; ob der Kaiser es dann genehmigen
wird, ist ungewiß. Während der Kronprinz entschieden auf
meiner Seite steht, kann der Kaiser zu keinem Entschluß
kommen. Er hat eine hohe Verehrung für den Kaiser von
Rußland als solchen und für den Freund und Neffen ein
warmes Gefühl, will keine Perfidie Rußland gegenüber, keine
aggressive Politik, und das liegt ihm so am Herzen, daß er von
Abdikation redet. Die Entschließung ist dringlich, weil Graf
Andrassy nur noch bis zur Erledigung dieser wichtigen Frage
im Amte bleiben will, dann aber für ungefähr ein Jahr Ruhe