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Sie nahmen vor Bismarcks Wagen Aufstellung u. sangen einige
Lieder, darunter auch „Wie könnt' ich dein vergessen“. Bis—
marck erschien am Fenster und sagte: „Ich danke Ihnen sehr:
mögen Sie der Worte, die sie jetzt gesungen, durch Ihr ganzes
Leben eingedenk bleiben“. Bismarck wunderte sich, daß die
Schüler rot-weiße Bänder an den Mützen hatten, das wären
ja hessische Farben. „Als ich in Göttingen studierte, hatten die
Hessen rot-weiß, jetzt wird's wohl anders sein“. Auf das Lied
„Der alte Fritz in Sanssouci“, sagte Bismarck: „Zweidrittel-
Jahrhundert bin ich alt, heute habe ich aber dieses schöne Lied.
zum ersten Mal gehört.“ Er sprach noch länger in freund-
lichster Weise über Exkursionen, die er als Göttinger Student
zu Fuß gemacht, und dankte wiederholt sehr erfreut über
die Ovation.
Varzin, 28. August 1881.
Unterredung mit dem konservativen Abgeord-
neten v. Massow-Rohr, betreffend die Wahl des
letzteren und den Gang der nächsten varlamen-
tarischen Kampagne.“
Bismarck: „Ich freue mich, daß Sie sich als Kandidat
für die Reichstagswahlen haben aufstellen lassen und ich ver-
spreche Ihnen, Ihre Wahl nach Kräften zu unterstützen. Der
Reichstag kommt Ende November zusammen, das Abgeord-
netenhaus am 15. Januar. Wenn es geht, wird so lange wie
möglich zusammengearbeitet; sonst wird der Reichstag unter-
brochen, um dem Landtage Zeit für das Budget zu lassen,
welcher gleich nach Erledigung desselben nach Hause geschickt.
*) Nach einem Briefe von Massow an den Freiherrn v. Ham-
merstein, d. d. Rohr, den 31. August 1881, in dem Buche von
Hans Leuß: „Wilhelm Freiherr v. Hammerstein“, 1881 bis 1895
Chefredakteur der „Kreuzzeitung“, Berlin 1905, S. 41.