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die der Persönlichkeit des neuen Herrschers homogener er—
scheinen. Aber einen Wechsel des Systems bedeutet das keines-
wegs in dem Sinne, wie es gemeiniglich aufgefaßt wird,
da Seine Kaiserliche Hoheit sich längst dahin ausgesprochen
hat, mir nur solche Kollegen beizugeben, mit denen ich die
Geschäfte weiterzuführen imstande sein würde.“
Cremer: „Damit fällt das ganze Gerede und die Hoffnung
des Liberalismus in sich zusammen.“
Bismarck: „Wenn ich jünger wäre, und noch die Ar-
beitskraft wie vor fünfzehn Jahren hätte, bann wäre es
wohl möglich, daß mir das Ansinnen gestellt werden würde,
mich mit einem Kranze liberaler Kollegen zu umgeben —“
Cremer: „Doch nur, Durchlaucht, um den Beweis zu
liefern, wie schnell Sie mit der Gesellschaft aufräumen
würden!“
Bismarck: „Das auch! Aber zu solchen Experimenten
fehlt mir die Kraft und die Lust. Ein neues Ministerium
würde demnach nur mit meiner Zustimmung gebildet werden.
Was soll übrigens ein anderes Ministerium?! Nach den
großartigen Erfolgen, die Gott unserm regierenden Herren
verliehen, hätte er das vollste Recht darauf gehabt, sein
Alter in Ruhe und Frieden zu verbringen. Wer zwang ihn
dazu, die ganze Last der Sozialreform, die Aenderungen
des wirtschaftlichen Systems, Staatsbahnen, Neuorganisation
der Verwaltung usw. noch auf seine Schultur zu nehmen.
Das hätten wir unseren Nachfolgern überlassen können, ohne
den Vorwurf der Geschichte befürchten zu müssen, wir hätten
nicht genug getan. Wenn nun trotzdem angesichts eines Er-
eignisses, das seit Jahren jeden Tag eintreten konnte —
denn auf eine so geradezu wunderbar zu nennende Ver-
längerung des Lebens Seiner Majestät unseres jetzigen Herrn
konnte doch niemand die Rechnung machen — derart kolossale
Unternehmungen angebahnt wurden, deren Fortsetzung nach
einer ganz bestimmten Richtung hin unabweisbar geboten ist,
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