Full text: Also sprach Bismarck. Band II. 1870 - 1888. (2)

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Versailles, Mitte Oktober 1870. 
Der amerikanische General Sheridan erkundigt sich bei 
Bismarck, wann er etwa das Ende der Pariser Belagerung 
erwarte; in der Zwischenzeit wolle er einen kleinen Ausflug 
in einige vom Kriege nicht beunruhigte Teile Europas 
machen und dann bei der Kapitulation wieder zur Hand 
weilen unbequem, derartige Berichte veröffentlicht zu sehen“, von 
jedem weiteren Verfolg der Angelegenheit Abstand nehmen. Wir 
würden uns, nach dieser Bemerkung, der zum Ueberfluß noch 
einige entschuldigende, mit Rücksicht auf die Sachlage fast ver- 
bindliche Worte des Grafen vorausgegangen waren, respektoollst 
verneigt und demnächst an den „Chief“ Editor der Times —— 
folgendes Billet gerichtet haben: „Meinen am 13. September ge- 
schriebenen Bericht über die zwischen dem König und dem Kaiser 
im Schloß Bellevue stattgehabte Unterredung, halte ich, trotz 
des eben erschienenen, die Richtigkeit meiner Mitteilung in Abrede 
stellenden Telegrammes, in allen seinen Teilen aufrecht. Der 
Kronprinz selbst hat mir alles erzählt, Offiziere waren zugegen, 
auch Oberst Walker, der nötigenfalls meine Angaben bestätigen 
wird. Der Bericht soll aber vorläufig angezweifelt werden, und 
meine Stellung hier legt mir und Ihnen die Pflicht auf, diesem 
politischen Gebot (dessen Richtigkeit oder Unrichtigkeit wir nicht 
zu prüfen haben), uns unterzuordnen.“ Nach Abfassung solchen 
Billetes hätten wir unser Gewissen beruhigt und unsere Korre- 
spondenten-Ehre aufs vollständigste gewahrt geglaubt. Es ist 
noch nie ein Mensch an der Dementierung einer politischen Nach- 
richt gestorben, oder auch nur ernsthaft durch eine solche ge- 
schädigt worden. Russel dachte anders darüber, wurde dringlich 
bis zu einem Grade, der von Zudringlichkeit nicht mehr zu 
unterscheiden war, und mußte sich schließlich doch entschließen, 
seine Versailler Korrespondenten = Tage fortzusetzen, ohne die so 
dringend geforderte und für unerläßlich angesehene Ehren-Reparatur 
erfahren zu haben. Er blieb in Versailles bis zuletzt und weder 
er noch andere werden im Verlaufe der Wochen die Empfindung 
gehabt haben, daß das Nichterscheinen jenes Restituierungs- 
Telegrammes ihm in seiner gesellschaftlichen Stellung auch nur 
den geringsten Abbruch getan hätte. Es ging auch so. Bei
	        
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