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sein. Bismarck unterrichtet den General in liebenswürdiger
Weise über den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Einnahme von
Paris.“)
Versailles, 14. oder 15. Oktober 1870.
Unterredung mit dem französischen General Boyer,
betreffend die Bedingungen für den Abzug der
französischen Armee aus Metz.“
Zwei Offiziere vom Generalstabe des Prinzen Friedrich
Karl begleiteten den General Boyer, welcher am 14. in Ver-
sailles eintraf, wo man ihn mit Niemand verkehren ließ.
Er wurde sogleich von Bismarck empfangen, der ihm am
folgenden Tage eine zweite Audienz gab. Jede dieser Unter-
allem Respekt vor dem Talent und Charakter W. Russels müssen
wir dennoch eingestehen, daß der Graf und Kanzler auch aus
dieser Fehde als der alleinige Sieger hervorging, und zwar Sieger
nicht von Macht= sondern von Rechtswegen. Er schonte seinen
Gegner, wohl mit Rücksicht auf dessen immerhin bedeutungsvolle
Stellung, bis zum äußersten und gestattete ihm immer wieder
Schlupflöcher, Türcn, Ausgänge, durch die Russel, bei minderer
Verranntheit, jeden Augenblick eine „Retraite honorable“ hätte
antreten können; er war aber, so scheint es, durchaus gewillt,
den Kanzler „by bothering him“ zur Verzweiflung zu bringen.
Diesem blieb schließlich nichts übrig, als ihn rund’ raus wissen
zu lassen, daß seine Minuten kostbar seien. So endete das
Rencontre zwischen dem ersten Staatsmanne und dem ersten Korre-
spondenten Europas, welcher letztere, für unser Gefühl wenigstens,
den unzweifelhaften Beweis geführt hatte, der Diplomatie seines
Vaterlandes, durch Eintritt in die Korrespondenten-Karriere, keine
erhebliche Kraft entzogen zu haben.
*) Von Gravelotte nach Paris, Erinnerungen aus dem
deutsch-französischen Kriege von General Philipp H. Sheridan,
deutsch von Udo Brachvogel, 2. Ausgabe, S. 87.
") Nach dem Briefe des Marschalls Bazaine über die Rhein-
armee.