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nicht mehr über ein Drittel der sämtlichen Stimmen be—
trügen und daher bei der jetzigen Fassung von Artikel 78
auch bei Verfassungsänderungen eine Majorisierung Preußens
möglich werden würde. „Ich halte es daher für richtiger und
zweckmäßiger, eine bestimmte Anzahl von Stimmen — etwa
14 oder 15 — festzustellen, welche genügen sollte, durch ihren
Widerspruch Verfassungsänderungen zu verhindern.“
Freiherr v. Friesen akzeptierte diesen Vorschlag.
Versailles, 1. November 1870.
Unterredung mit Thiers über den Abschluß eines
Waffenstillstandes.“
Mit dem Schlag 12 Uhr begab sich Thiers in die
Wohnung Biemarcks, rue de Provence. Er empfing ihn
sogleich, und beeilte sich, Thiers zu sagen, daß seine Frau
über seine Reise und seine Gesundheit außer Sorge sei, denn
er habe eine Depesche an den General von der Tann geschickt,
worin er ihn beauftragte, ihr Thiers glückliche Rückkehr nach
Versailles mitzuteilen.
Sogleich berührten die beiden Staatsmänner die großen
Fragen, die sie zusammengeführt. Thiers sagte dem Kanzler,
er hätte von der Regierung in Paris die nötigen Voll-
machten bekommen, um einen Waffenstillstand abzuschließen,
*) Nach dem Werke: Notes et souvenirs de M. Thiers 1870—
8 Voyage diplomatique Proposition d’'un armistice Préliminaires de
la Paix, Présidence de la Republique. Paris Calman-Levy 1904. Diese
Quelle ergänzt die in meinem Werke „Fürst Bismarck und die
Diplomaten“ S. 317 f. enthaltene Darstellung von Bismarcks
Unterredungen mit Thiers. Nach den Feldbriefen Wilmowskis,
S. 69, dauerte diese Unterredung drei Stunden. Zu vergleichen
auch das Bismarck'sche Referat über die folgenden Unterredungen
mit Thiers in seiner Zirkular-Depesche d. d. Versailles, 8. Nov.
1870. Glasers Archiv, Bd. V, S. 349.