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nieren, wo sie momentan lag. Bei dieser Gelegenheit sprach
derselbe von 35 Handelsschiffen, welche die Franzosen weg-
genommen, und deren Kapitäne sie zu Gefangenen gemacht
hatten. „Das ist ein unerträglicher Gewaltakt. Als Re-
pressalie haben wir in den französischen Städten 40 Bürger
ausgehoben, die wir in Deutschland gefangen halten.“
Thiers: „Und Sie haben damit das Völkerrecht verletzt.
Sie kennen dasselbe ganz gut, da es auf dem internationalen
Gewohnheits= und Vertragsrecht beruht. Eine kriegführende
Macht darf wohl die Mannschaft gekaperter Schiffe gefangen-
nehmen, nicht aber friedliche Bürger eroberter Städte.“
Bismarck: „Preußen hat niemals das Prisenrecht an-
erkannt und es kann deshalb auch die Regeln des Völker-
rechts in dieser Frage nicht anerkennen.“ Zuletzt kam er auf
die Franktireurs zu sprechen, denen er Grausamkeit porwarf.
„Sie haben mir einen Verwandten umgebracht, den ich sehr
ins Herz geschlossen habe. Das ist Ihr Völkerrecht, das
ist das Völkerrecht der französischen Armee!“
Bei diesen Worten erhob sich Thiers, um wegzugehen.
„Ich habe mir vorgenommen, keine Bitterkeit in unsere un-
angenehme Diskusion zu bringen, und ich bin erstaunt, daß
Sie der französischen Armee einen unverdienten Vorwurf aus-
sprechen, den ich nicht ruhig anhören kann.“
Bismarck: „Die Absicht, die französische Armee zu be-
leidigen, hat mir ganz ferne gelegen. Ich bedauere aber,
daß sie in ihren Reihen solche Menschen aufnimmt, und
daß sie sich dadurch für deren Akte verantwortlich macht.“
Thiers: „Es ist möglich, daß es auf der einen und anderen
Seite Exzesse gegeben hat, die ich alle gleichmäßig bedaure.
Wenn es aber überhaupt Gewalttätigkeiten gegeben hat, so
sind die jedenfalls entschuldbarer bei denen, in deren Land
eingebrochen wurde als bei den Eindringern. Guerillakriege
waren stets erlaubt und jedes Mittel, sein Vaterland zu
verteidigen, ist gut.“