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Wandsbeck, 10. März 1892.
Teilmahme an einer Sitzung des Kreistages des
Kreises Stormarn. ·
Bismarck dankte für die liebenswürdige Begrüßung und
gab der Hoffnung Ausdruck, wenn der allgütige Gott ihm
noch einige Jahre des Lebens schenke, noch oft an den ge-
meinsamen Geschäften der Stormarn'schen Kreistage Teil
nehmen zu können.
Bei der Diskussion über die Revision des Verzeichnisses
der wichtigeren Nebenwege warnte Bismarck davor, ein den
Wünschen der Lokalinteressen entgegengesetztes Gutachten abzu-
denke, nach Berlin zu kommen. Wir können dies, zu-
nächst auf Grund der schon erwähnten Gesundheitsrücksichten
vollkommen bestätigen. Aber es gibt noch einen andern Grund,
welcher den Fürsten vom Eintreten in neuen politischen Kampf
fern hält. Dieser Grund ist bisher nicht genügend hervorgehoben
worden und es fällt doch schwer in die Wagschale. Der Fürst möchte
um keinen Preis seine ehemaligen Freunde in Berlin nötigen,
zwischen ihm und der augenblicklichen Regierung zu wählen. Daß
Fürst Bismarck sich trotzdem seinen Reichstagssitz offen hält, hat
den Grund, daß vielleicht über kurz oder lang Ereignisse ein-
treten könnten, welche es trotz aller Bedenken wünschenswert er-
scheinen lassen, das Wort des ehemaligen Reichskanzlers und lang-
jährigen erfahrenen Führers der Nation an öffentlicher Stelle zu
vernehmen, obwohl der Fürst selbst diesen Moment nicht herbei-
wünscht. Daß der Fürst andauernd sehr eifrig die Politik ver-
folgt, geht schon aus der Tatsache hervor, daß er täglich —
übrigens ohne Ermüdung — an 20 Zeitungen liest. Er spricht
dann auch mit Vorliebe und sehr lebhaft über Politik; falsch würde
es jedoch sein, die gelegentlichen gegen die Maßnahmen der Regie-
rung gerichteten Aussprüche Bismarcks, wie dies wohl geschehen
ist, als gegen den Kaiser gerichtet zu betrachten. Der Fürst
spricht, wie dies bei seinem so oft bewiesenen starken Loyalitäts-
bewußtsein ja durchaus natürlich erscheint, stets mit Ehrerbietung
vom Kaiser oder vom „König“, wie er zu sagen pflegt. Wenn
er die Regierung angreift, so ist es nur um der Sache willen, der
er glaubt entgegentreten zu müssen.