Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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gen. Endlich ist auch kaum anzunehmen, 
daß alle Arbeiter ohne Unterschied der 
Berufe einen Sparpfennig in denselben 
Topf tun werden; da nicht allen die Not- 
wendigkeit der A durch die eigenen Er- 
fahrungen gleich dringend erscheint, wer- 
den sie kaum geneigt sein, im Interesse 
aller das eigene Einkommen zu schmä- 
lern. Der Weg der Staatshilfe (durch 
eigene Regie oder Zuschuß) erscheint un- 
gangbar, da die Belastung zu hoch, die 
Durchführung zu schwierig, die Verwal- 
tung zu prekär werden würde. 
Es kann daher nur durch eigene Kraft 
eine A ins Leben gerufen werden, viel- 
leicht auf dem ‚Wege einer Zentralisation 
und Organisation der Arbeitsnachweise. 
P. 
Arbeitsordnung. Die A stammen aus 
der alten Zunftverfassung. Auch heute 
noch ist das wesentliche Merkmal einer 
A, das sie z. B. auch von dem modernen 
Tarifvertrage unterscheidet, daß sie im 
Grunde genommen durchaus einseitig zu- 
stande kommt; sie wird oktroyiert. Wir 
finden sie in früheren Zeiten als Haus- 
ordnungen vor, der Arbeitgeber ist in sei- 
nem Hause noch völliger Herr, dessen 
Willen und Anordnungen sich die Arbei- 
ter zu fügen haben, wenn sie Arbeit zu 
erhalten wünschen, Gerade diese Bezeich- 
nung „Hausordnung“ ist äußerst charak- 
teristisch: nicht die Arbeit ist das wesent- 
liche, sondern die Tätigkeit unter dem 
Dache des Arbeitgebers. In Deutschland 
hat diese Institution, obgleich sie den Ar- 
beitgebern große Macht in die Hände 
spielte, dennoch nicht zu irgendwelchen 
nennenswerten Mißständen geführt, wie 
z. B. in England. Hier wurde die A eine 
scharfe Waffe in der Hand der Man- 
chesterleute, um unbeliebte Arbeiter 
grundlos zu entfernen oder sie um ihren 
Gewinn zu bringen. Man schreckte nicht 
vor den gewissenlosesten A und Aus- 
legungen zurück. In Deutschland da- 
gegen blieb in den handwerklichen Be- 
trieben stets ein gewisses patriarchali- 
sches Band bestehen und ließ es nicht zu 
solchen Auswüchsen kommen. 
Durch die Novelle vom 1. Juni 1891 
wurden die heute geltenden Bestimmun- 
gen über die A, die 8$ 134a—134h, der 
Gw eingefügt. Danach sollen A erlassen 
werden in Fabriken, die mehr als 20 Mann 
beschäftigen. Der Erlaß erfolgt durch Aus- 
hang. Der Inhalt soll Anfang und Ende 
  
Arbeitslosenversicherung — Arbeitszeugnis. 
der Arbeitszeit, die Pausen, Zeit und Art 
der Abrechnung und Lohnzahlung, Auf- 
kündigung, die Gründe dazu, Strafen und 
Verwendung der verwirkten Beträge um- 
fassen. Vorbildlich in der Gesetzgebung 
waren innerhalb Deutschlands Baden und 
Württemberg, die zuerst Vorschriften er- 
ließen, durch die eine Kontrolle der Poli- 
zei ermöglicht wurde. Die freie Überein- 
kunft, die bereits in der preußischen Gw 
von 1845 sich findet und die im geltenden 
Recht darin besteht, daß den in der 
betreffenden Fabrik beschäftigten voll- 
jährigen Arbeitern nach Gw 134 vor Er- 
laß der A Gelegenheit gegeben werden 
soll, sich zu äußern, und daß bei Beste- 
hen eines Arbeiterausschusses dieser zu 
hören ist, ist de facto illusorisch. Das 
allmählich immer stärker anwachsende 
Selbstgefühl der Arbeiter macht es daher 
erklärlich, daß die Arbeiterschaft auf diese 
geringe Mitwirkung verzichtet, um auf 
anderem Wege Einfluß auf die Fabrik- 
ordnung und die Regelung der Arbeits- 
verhältnisse zu erlangen. In den Tarifver- 
trägen ist dieser Weg gefunden und diese 
neuen Erscheinungen unseres Wirtschafts- 
lebens werden über kurz oder lang die A 
überflüssig machen, da sie die gleichen 
Punkte und noch viele mehr durch wirk- 
liche Übereinkunft regeln. 
Dohn Die Arbeitsordnungen, 92; Engels Die Lage 
der arbeitenden Klassen; Hatschek Entwurf einer Ar- 
beitsordnung, 92; Fabrikordnungen und Fabrikunter- 
stützungen, 88; W. Oppermann Anleitung zur Auf- 
stellung der Arbeitsordnungen für gewerbliche Anlagen, 
92; v. Rüdiger Wegweiser zur Aufstellung von Ar- 
beitsordnungen, 92, Platz Ratgeber für den Entwurf 
von Arbeitsordnungen, 92; Soetbeer Entwurf einer 
Arbeitsordnung, 92; Steinert Neue Normen zur Be- 
nutzung bei Aufstellung von Fabrikordnungen, w u. 2. 
eige 
Arbeitszettel s. Lohnbücher, Lohn- 
zahlungsbücher. 
Arbeitszeugnis. Früher war das A 
ein Mittel, um polizeiliche Aufsicht über 
die Gesellen und Arbeiter auszuüben. S. 
darüber die Entwickelungsgeschichte des 
A in „Das Gewerbegericht Berlin‘ S 7 ff. 
Jetzt ‚können‘ die Arbeiter (Gesellen, 
Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte, 
Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter 
— s, Überschrift des Titels VII Gw —) 
beim Abgange ein schriftliches Zeugnis 
über die Art und Dauer ihrer Beschäfti- 
gung fordern, Gw 113. Nur auf Verlan- 
gen der Arbeiter ist dieses Zeugnis auf 
ihre Führung und ihre Leistung auszu- 
dehnen. Den Arbeitgebern ist untersagt, 
die Zeugnisse mit Merkmalen zu ver- 
sehen, welche bezwecken, den Arbeiter in
	        
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