112
gen. Endlich ist auch kaum anzunehmen,
daß alle Arbeiter ohne Unterschied der
Berufe einen Sparpfennig in denselben
Topf tun werden; da nicht allen die Not-
wendigkeit der A durch die eigenen Er-
fahrungen gleich dringend erscheint, wer-
den sie kaum geneigt sein, im Interesse
aller das eigene Einkommen zu schmä-
lern. Der Weg der Staatshilfe (durch
eigene Regie oder Zuschuß) erscheint un-
gangbar, da die Belastung zu hoch, die
Durchführung zu schwierig, die Verwal-
tung zu prekär werden würde.
Es kann daher nur durch eigene Kraft
eine A ins Leben gerufen werden, viel-
leicht auf dem ‚Wege einer Zentralisation
und Organisation der Arbeitsnachweise.
P.
Arbeitsordnung. Die A stammen aus
der alten Zunftverfassung. Auch heute
noch ist das wesentliche Merkmal einer
A, das sie z. B. auch von dem modernen
Tarifvertrage unterscheidet, daß sie im
Grunde genommen durchaus einseitig zu-
stande kommt; sie wird oktroyiert. Wir
finden sie in früheren Zeiten als Haus-
ordnungen vor, der Arbeitgeber ist in sei-
nem Hause noch völliger Herr, dessen
Willen und Anordnungen sich die Arbei-
ter zu fügen haben, wenn sie Arbeit zu
erhalten wünschen, Gerade diese Bezeich-
nung „Hausordnung“ ist äußerst charak-
teristisch: nicht die Arbeit ist das wesent-
liche, sondern die Tätigkeit unter dem
Dache des Arbeitgebers. In Deutschland
hat diese Institution, obgleich sie den Ar-
beitgebern große Macht in die Hände
spielte, dennoch nicht zu irgendwelchen
nennenswerten Mißständen geführt, wie
z. B. in England. Hier wurde die A eine
scharfe Waffe in der Hand der Man-
chesterleute, um unbeliebte Arbeiter
grundlos zu entfernen oder sie um ihren
Gewinn zu bringen. Man schreckte nicht
vor den gewissenlosesten A und Aus-
legungen zurück. In Deutschland da-
gegen blieb in den handwerklichen Be-
trieben stets ein gewisses patriarchali-
sches Band bestehen und ließ es nicht zu
solchen Auswüchsen kommen.
Durch die Novelle vom 1. Juni 1891
wurden die heute geltenden Bestimmun-
gen über die A, die 8$ 134a—134h, der
Gw eingefügt. Danach sollen A erlassen
werden in Fabriken, die mehr als 20 Mann
beschäftigen. Der Erlaß erfolgt durch Aus-
hang. Der Inhalt soll Anfang und Ende
Arbeitslosenversicherung — Arbeitszeugnis.
der Arbeitszeit, die Pausen, Zeit und Art
der Abrechnung und Lohnzahlung, Auf-
kündigung, die Gründe dazu, Strafen und
Verwendung der verwirkten Beträge um-
fassen. Vorbildlich in der Gesetzgebung
waren innerhalb Deutschlands Baden und
Württemberg, die zuerst Vorschriften er-
ließen, durch die eine Kontrolle der Poli-
zei ermöglicht wurde. Die freie Überein-
kunft, die bereits in der preußischen Gw
von 1845 sich findet und die im geltenden
Recht darin besteht, daß den in der
betreffenden Fabrik beschäftigten voll-
jährigen Arbeitern nach Gw 134 vor Er-
laß der A Gelegenheit gegeben werden
soll, sich zu äußern, und daß bei Beste-
hen eines Arbeiterausschusses dieser zu
hören ist, ist de facto illusorisch. Das
allmählich immer stärker anwachsende
Selbstgefühl der Arbeiter macht es daher
erklärlich, daß die Arbeiterschaft auf diese
geringe Mitwirkung verzichtet, um auf
anderem Wege Einfluß auf die Fabrik-
ordnung und die Regelung der Arbeits-
verhältnisse zu erlangen. In den Tarifver-
trägen ist dieser Weg gefunden und diese
neuen Erscheinungen unseres Wirtschafts-
lebens werden über kurz oder lang die A
überflüssig machen, da sie die gleichen
Punkte und noch viele mehr durch wirk-
liche Übereinkunft regeln.
Dohn Die Arbeitsordnungen, 92; Engels Die Lage
der arbeitenden Klassen; Hatschek Entwurf einer Ar-
beitsordnung, 92; Fabrikordnungen und Fabrikunter-
stützungen, 88; W. Oppermann Anleitung zur Auf-
stellung der Arbeitsordnungen für gewerbliche Anlagen,
92; v. Rüdiger Wegweiser zur Aufstellung von Ar-
beitsordnungen, 92, Platz Ratgeber für den Entwurf
von Arbeitsordnungen, 92; Soetbeer Entwurf einer
Arbeitsordnung, 92; Steinert Neue Normen zur Be-
nutzung bei Aufstellung von Fabrikordnungen, w u. 2.
eige
Arbeitszettel s. Lohnbücher, Lohn-
zahlungsbücher.
Arbeitszeugnis. Früher war das A
ein Mittel, um polizeiliche Aufsicht über
die Gesellen und Arbeiter auszuüben. S.
darüber die Entwickelungsgeschichte des
A in „Das Gewerbegericht Berlin‘ S 7 ff.
Jetzt ‚können‘ die Arbeiter (Gesellen,
Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamte,
Werkmeister, Techniker, Fabrikarbeiter
— s, Überschrift des Titels VII Gw —)
beim Abgange ein schriftliches Zeugnis
über die Art und Dauer ihrer Beschäfti-
gung fordern, Gw 113. Nur auf Verlan-
gen der Arbeiter ist dieses Zeugnis auf
ihre Führung und ihre Leistung auszu-
dehnen. Den Arbeitgebern ist untersagt,
die Zeugnisse mit Merkmalen zu ver-
sehen, welche bezwecken, den Arbeiter in