Bertillonsches Identifizierungsverfahren.
Staaten die Einrichtung getroffen, daß die
Meßinstrumente bei einer gemeinsamen
Zentralstelle hergestellt werden. Da
ferner die Vornahme der Messungen
ebenfalls eine gewisse Übung erfordert,
werden auch die Meßbeamten meist bei
einer Zentralstelle ausgebildet. Gering-
fügige, sog „erlaubte‘‘ Differenzen,
welche unvermeidlich sind, hat Bertillon
bei seinem Systeme berücksichtigt und
ihre zulässige Größe für sämtliche Maße
berechnet. Die gewonnenen Maße wer-
den auf besonderen Formularen, sog Meß-
karten, notiert. Auf diesen befindet sich
ferner entweder eine nach besonderem
Verfahren (s. Photographie) hergestellte
Photographie des Gemessenen in Vorder-
und Seitenansicht, auf 1/, nat Gr verklei-
nert, mit Angabe der auf der Photogra-
phie nicht erkennbaren Merkmale (Farbe
der Augen, der Haare usw) und aller be-
sonderen Kennzeichen (Narben, Täto- |
wierungen) oder eine genaue Personenbe-
schreibung in bestimmten Abkürzungen
(s. unter b). Endlich enthält die Meßkarte
ein genaues Nationale des Gemessenen.
Bei größeren Meßzentralen sammelt sich
bald eine derartige Menge von Meßkarten
an, daß es unmöglich ist, sie bei jeder neu
eingehenden Meßkarte durchzusehen, um
festzustellen, ob eine gleiche Karte be-
reits vorhanden ist. Bertillon hat deshalb
eine Registriermethode eingeführt, durch
die sich die genannte Feststellung in kür-
zester Zeit treffen läßt. Zunächt werden
die Karten der Männer und Weiber von-
einander getrennt, ebenso die der Jugend-
lichen unter 21 Jahren (bei denen sich
einzelne Maße noch ändern) abgesondert.
Die einzelnen Gruppen werden nunmehr
nach der Größe der Kopflängen in drei
weitere Abteilungen, der kleinen, mitt-
leren und großen Kopflängen eingeteilt;
hierbei ist selbstverständlich genau fest-
gelegt, welche Maße als klein, welche als
mittel und welche als groß zu bezeichnen
sind, wie auch bei Maßen, welche auf der
Grenze zweier Gruppen stehen, die ‚„er-
laubten Differenzen‘ mit berücksichtigt
werden. Jede Gruppe der Kopflänge wird
nach demselben Prinzipe in drei Unter-
gruppen der kleinen, mittleren und gro-
Ben Kopfbreiten zerlegt, jede dieser drei
Untergruppen wird weiter zerlegt nach
der Mittelfingerlänge, nach der Fußlänge,
nach der Vorderarmlänge, der Körper-
länge (statt welcher in Deutschland die
‚, beschrieben.
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Jochbeinbreite gewählt ist), der Klein-
fingerlänge (die in Deutschland vor der
Jochbeinbreite zählt). Jede Abteilung der
Kleinfingerlängen wird wieder in 7 (in
Deutschland 6) Augenklassen eingeteilt,
und zwar nach der Menge und Verdich-
tung des Pigmentes in der Iris (Klasse 1
Iris ohne gelblichen Farbstoff, Klasse 6
Iris schwarzbraun. Klasse 7 Iris schwarz
[fehlt in Deutschland]). In jeder Augen-
klasse können sich nunmehr selbst bei
der größten Registratur nur wenige Ar-
ten befinden, und es ist leicht, mit Hilfe
der übrigen Maße und der auf der Karte
befindlichen Photographie oder Personen-
beschreibung festzustellen, ob eine der
vorliegenden Meßkarte entsprechende
schon vorhanden ist.
b. Die Personenbeschreibung. Diese
dient zunächst als Ersatz für die Photo-
graphie auf der Meßkarte in Fällen, in
welchen photographische Aufnahme nicht
erfolgen kann, ferner als Ergänzung der
Photographie für die Merkmale, welche
auf dem Bilde nicht erkennbar sind (also
Farbe der Augen, Haare, des Bartes, des
Gesichtes usw). Außerdem dient die Per-
sonenbeschreibung aber noch einem be-
deutend wichtigeren Zwecke in der Ge-
stalt des sog portrait parl&, des „Gedächt-
nisbildes‘. Hiermit hat es folgende Be-
wandtnis. Der Polizeibeamte hat häufig
die Aufgabe, auf Grund einer Photogra-
phie oder auch eines bloßen Signalements
auf einen bestimmten gesuchten Verbre-
cher zu fahnden. Das früher übliche Si-
gnalement war mit seinen allgemeinen
Ausdrücken gänzlich ungeeignet, wenn
nicht ganz prägnante „besondere Kenn-
zeichen‘‘ da waren. Aber auch die Pho-
tographie versagte oft, namentlich auf
stark belebten Straßen, Bahnhöfen, Ha-
fenplätzen usw, und hatte sich der Ge-
suchte durch Kleidung, Haar- und Bart-
schnitt zweckmäßig verändert, so wurde
er meist von den Beamten nicht erkannt.
Umgekehrt wurde auch der Beamte
manchmal durch eine zufällige Ähnlichkeit
verleitet, einen anderen festzunehmen, Bei
dem Bertillonschen Gedächtnisbilde ist
namentlich die letztere Möglichkeit so
gut wie ausgeschlossen. Hier werden
sämtliche Partien des Gesichtes, Kopfes
und Körpers, welche irgendein unterschei-
dendes Merkmal aufweisen, in ihren ein-
zelnen Teilen nach Form und Dimension
Für die Bezeichnung der