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Ballen des Daumens und des kleinen
Fingers durch das Halten des schweren
Hammers stark ausgeprägt; ähnliche Spu-
ren hinterläßt die Zange an der linken
Hand, insbesondere an den Ballen zwi-
schen Daumen und Zeigefinger. Die
Finger nützen sich an den Kuppen stark
ab und erscheinen infolgedessen kurz,
verbreitert und verdickt. — Beim Korb-
flechter sind die Hände ebenfalls kurz und
dick, aber nicht klobig oder klumpig; da-
gegen sind die Finger, denen hier die
Haupttätigkeit zufällt, sämtlich kurz und
dick, die Kuppen breit mit verhornten Flä-
chen, nach der Spitze zu abgenutzt. — Beim
Schneider zeigen Daumen und (meist)
Mittelfinger infolge des Druckes der Sche-
renringe charakteristische rinnenförmige
Vertiefungen, die Kuppen des Daumens
und Zeigefingers sind abgenutzt, aber
nicht verbreitert, Zeige- und Mittelfinger
der rechten Hand sind zerstochen, der
Zeigefinger der linken Hand ist an der
Kuppe infolge des ständigen Darüberglei-
tens der Nähnadel seitlich abgenutzt. —
Bei dem Schriftsetzer sind Daumen und
Zeigefinger der rechten Hand infolge des
Greifens der Lettern ebenfalls auffallend
abgenutzt. — Schlächter, deren Hände viel
mit frischem Blute in Berührung kommen,
haben meist ausgearbeitete, aber weiße
Hände; bei Gärtnern, Erdarbeitern usw
sind die Fingernägel auffallend stark ab-
genutzt und abgeflacht; und so hinter-
lassen noch zahlreiche Berufe nicht zu ver-
wechselnde Merkmale, die allerdings nur
der Geübte richtig erkennt. — Auch der
Körper zeigt oft charakteristische Merk-
male, so beim Schuhmacher am Brustbein
und linken Oberschenkel; beim Lastträger
ist die eigentümlich gekrümmte Haltung
charakteristisch. — Auch die Kleidung bie-
tet vielfach Merkmale, die noch zuver-
lässiger sind als die körperlichen. Der in
den Kleidern und namentlich in den Ta-
schen befindliche Staub kann Holz-,
Mehl-, Ziegel-, Stein-, Kalk- oder irgend-
ein Metallstaub sein. Auch die Form der
einzelnen Staubpartikel (ob rund, eckig,
zackig usw), die auf mikroskopischem
Wege (schon durch ein kleines Taschen-
mikroskop) leicht zu erkennen ist, ist kei-
neswegs gleichgültig. Ähnliche Anhalts-
punkte gibt oft der Schmutz unter den
Fingernägeln. Auch Flecken an Händen
und Kleidern sind oft von Bedeutung.
Erwähnt sei nur, daß beim Klempner an
Berufstätigkeit — Berufsvormund.
Händen oder Kleidung meist Spuren des
Lötwassers sichtbar sind. Schließlich kann
selbst der einer Person anhaftende Geruch
wichtige Aufschlüsse geben.
M. Vernois De la main des ouvriers et des artisans,
Paris 62; Ludwig Hirt Die Krankheiten der Arbeiter,
Breslau 71; Hans Groß Handbuch für Untersuchungs-
richter, München 08; Niceforo-Lindenau Die Kri-
minalpolizei und ihre Hilfswissenschaften, Gr.-Lichterfelde-
Ost 09; P. Schütte Der Einfluß des Gewerbes auf
die Form der Hand In der Ztschr Über Land und Meer 98
(1907) Nr 49; endlich meine Abhandlung Das Taschen-
mikroskop und seine Verwendung in der kriminalistischen
Praxis, Groß’ Archiv 25 (1906). Anuschat.
Berufsvormund (vgl die bei Anstalts-
vormund genannten Gesetzesstellen; sie
treffen auch hier zu). Die Einzelvor-
mundschaft ist offenbar das Ideal des B.
Für jeden Schutzbedürftigen ein beson-
derer, nur um den einen bemühter
Schützer. Das Ideal ist aber in der Wirk-
lichkeit nicht immer zu erreichen. Einmal
reicht die Zahl fähiger Einzelvormünder
nicht aus. Die Zahl der Vormundschäf-
ten, Pflegschaften und Beistandschaften
beträgt in Preußen über 11/, Million.
Man hat daher zu Vormündern auch nicht-
seßhafte Teile der Bevölkerung und Ar-
beiter ernennen müssen. Diese besitzen
zum beträchtlichen Teile die Fähigkeiten
nicht, welche eine der gewöhnlichen Vor-
mundschaften erfordert. Die eigenen Kin-
der dieser Leute werden von ihren Müt-
tern erzogen. Die Väter sehen sie nur
Sonntags. Diese gleichen Väter sollen
aber ein fremdes Kind erziehen und wirk-
sam beaufsichtigen. Das ist undenkbar.
Es gibt aber außer den normalen Vor-
mundschaften noch solche von besonders
schwierigem Charakter, bei denen ganz
eigenartige Aufgaben zu erfüllen sind, zu
welchen eine durch Übung, Neigung,
Studium erlangte Qualifikation erwünscht
oder gar erforderlich ist. Zu diesen Auf-
gaben gehören: Erziehung und Behütung
gefährdeter oder verwahrloster Kinder,
Durchkämpfung der Unterhaltsansprüche
unehelicher oder verlassener Kinder,
Säuglingsbewahrung und Ziehkinderüber-
wachung. Auf der ganzen Linie dieser
Aufgaben zeigt die Einzelvormundschaft
Mängel, welche sich vielerorts als gerade-
zu verderblich erwiesen haben. Die
immer noch ungeheuere Ziffer der Säug-
lingssterblichkeit gibt uns den Beweis
hierfür. Nachdem man dies eingesehen
hatte, begann man aus der Führung qua-
lifiziertter Vormundschaften einen Beruf
zu machen. Ein B(erufs)v(ormund) sollte
verschiedene, ja viele Vormundschaften
der qualifizierten Art zusammenfassen