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gemeindeordnung, die späterhin erlassen
sind.
Das folgende Kapitel betrifft die „Land-
stände‘‘, d. i. die Landesversammlung.
Sie bildet ein untrennbares Ganzes und
besteht nach der erwähnten letzten Rege-
lung von 1899 aus 48 Abgeordneten, von
denen 30 durch allgemeine Wahlen (je 15
in den Städten und Landgemeinden), 18
von 5 Berufsständen (Geistliche der
evang.-luth. Landeskirche, Großgrund-
besitzer, Gewerbetreibende, wissen-
schaftliche Berufsstände und höchstbe-
steuerte Einkommensteuerpflichtige) in
besonderen Wahlen gewählt werden.
Die letzteren Wahlen sind direkte, die
ersteren erfolgen indirekt durch Wahl-
männer, welche von den nach preußi-
schem Vorbilde nach dem Maße der di-
rekten Gemeindesteuern in 3 Klassen ein-
geteilten Wahlberechtigten gewählt wer-
den. Die Legislaturperioden betragen 4
Jahre. Die Zuständigkeit der Landesver-
sammlung erstreckt sich auf folgende Ge-
genstände: Mitwirkung im Finanzwesen
(gutachtliche Äußerung über den Etat des
Kammergutes, Feststellung des Staats-
haushalts-, des Klosterverwaltungskassen-
und des Klosterreinertragskassen-Etats,
Steuerbewilligung, Genehmigung von
Staatsanleihen, sowie zur Regulierung des
Landesschuldenwesens und zumeistzu den
Veränderungen indem Bestande der Güter
und Gerechtsame des Kammergutes und
des Kloster- und Studienfonds, Beaufsich-
tigung des Finanzwesens durch Prüfung
der Vollzugsetats auf die Etatsmäßigkeit
der Staatshaushaltsführung), Teilnahme
arı der Gesetzgebung (Zustimmung zu
Verfassungs- und den zugleich mit der
Neuen Landschaftsordnung im Jahre 1832
erlassenen Gesetzen, zu solchen über or-
ganische Staatseinrichtungen, über das
Landesfinanz- und Steuerwesen, über das
bürgerliche und Strafrecht; nur gutacht-
liche Äußerung zu allen sonstigen, insbe-
sondere den Polizeigesetzen), ferner auf
die Stellung allgemeiner Anträge auf Er-
laß von Gesetzen (worin aber nicht das
Recht der sog Initiative liegt), auf die
Mitaufsicht über die Landesangelegen-
heiten durch Stellung von Anträgen auf
Abstellung hervorgetretener Mängel und
Mißbräuche (Interpellationsrecht); weiter
ist den Ständen gewährt das Recht der
Ministeranklage bei Verfassungsverlet-
zung (der Gerichtshof wird aus Mitglie-
Braunschweig.
dern des Oberlandesgerichts gebildet), die
Befugnis der Annahme von Bittschriften
und Beschwerden über die Landesbehör-
den, der Ernennung eines Landsyndikus,
und endlich das Recht, sich in bestimmten
Fällen (namentlich beim plötzlichen Ein-
tritt allgemeiner Landesgefahr und bei
Verletzung der Verfassung) auch ohne
landesfürstliche Berufung zu versammeln.
Vor dem Auseinandergehen des Landta-
ges ist der aus 7 Mitgliedern bestehende
„Ausschuß der Landesversammlung‘“‘ zu
wählen, der bis zur Eröffnung des näch-
sten ordentlichen Landtages mit weitge-
henden Befugnissen funktioniert. (Haupt-
sächlich: Kontrolle über die Vollziehung
der zwischen Landesfürst und Ständen ge-
troffenen Vereinbarungen, Zustimmung
bzw gutachtliche Äußerung zu bestimm-
ten Arten von Gesetzen, z.B. Notgesetzen,
Ausübung der ständischen Mitaufsicht
über die Finanzverwaltung mit gewissen
Einschränkungen, Zustimmung zur Ver-
äußerung von Staatsgut im Werte von
nicht mehr als 30 000 M, Bewilligung von
Steuern und Anleihen bis zu 300000 M
in außerordentlichen Fällen, Erstattung
von Berichten und Gutachten an die Re-
gierung aufderen Anfordern, Berufung der
Stände in den vorgesehenen Konvokations-
fällen, Ausübung der Rechte der Landes-
versammlung, die ihm durch spezielle Voll-
macht derselben übertragen sind.) — Or-
dentliche Landtage müssen alle zwei Jahre
berufen werden; zur Beschlußfassung ist
Anwesenheit von 2/, aller Mitglieder er-
forderlich, es genügt absolute Mehrheit
der Stimmen (bei Verfassungsgesetzen
Mehrheit von mindestens ?/, der ganzen
Landschaft). Während der Landtagsver-
sammlung darf kein Mitglied ohne Zu-
stimmung der Ständeversammlung verhaf-
tet werden, es sei denn bei Ergreifung
auf frischer verbrecherischer Tat. Der
Abgeordnete darf bei der Abstimmung nur
seiner eigenen Überzeugung und seinem
Gewissen folgen, nicht aber Instruktionen
und Mandate von anderen annehmen. Der
Geschäftsgang auf den Landtagen ist
durch die Geschäftsordnung vom 20. Jan
1893 geregelt. Nach Schluß des Landta-
ges werden die vereinbarten Gegenstände
in den sog Landtagsabschied zusammen-
gefaßt, dem die Kraft eines Gesetzes zu-
kommt.
Das V. Kapitel trifft Bestimmungen
über das mit der obersten kollegialischen