Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Ehehindernisse. 
dazu, die Ehe einstweilen als gültig zu be- 
handeln, so ist sie doch von Anfang an 
ohne rechtlichen Bestand, RG in JW 03 
Beil 111. Das Nichtigkeitsurteil beseitigt 
sie nicht erst, sondern hat nur deklara- 
torische Wirkung, indem es mit verbind- 
licher Kraft für alle die vorhandene Nich- 
tigkeit feststellt. (Gegen die herrschende 
Meinung Hellwig Wesen usw 65ff, 
451 ff; Anspruch und Klage 464; Lang- 
heineken 244ff; Zitelmann 153; 
vermittelnd Kisch 85 ff, 100.) Ebenso- 
wenig kann von einer einstweiligen, mit 
rückwirkender Kraft hinwegfallenden 
Gültigkeit, Dernburg 66 und die 
Kommentare, die Rede sein. Die 
Ehewirkungen ireten in Wahrheit nicht 
ein. Dies kann sogar durch die MißB- 
brauchseinrede nach 1353 ff in deren Be- 
reich wenigstens trotz $ 1329 zur Geltung 
gebracht werden, da das Pochen eines 
Gatten auf tatsächlich nicht bestehende 
Rechte mit den sittlichen Anschauungen 
im Widerspruch steht, Thiesing 92 bis 
95, 98—103. 
Dieses starre Nichtigkeitsprinzip wird 
nach einigen Richtungen hin gemildert. 
Dritte können Einwendungen aus der 
Nichtigkeit gegen Rechtsgeschäfte oder 
rechtskräftige Urteile zwischen ihnen und 
einem der Gatten zurückweisen, 1344. 
Auf ihr Verlangen werden die unmittel- 
baren Geschäftswirkungen aufrechterhal- 
ten; ausgeschlossen ist dagegen ein Zu- 
griff auf Vermögensbestandteile der Gat- 
ten bloß deshalb, weil sie bei Gültigkeit 
der Ehe als Vollstreckungsobjekt gedient 
hätten. Bei Ansprüchen aus nichtrechts- 
geschäftlichen Tatbeständen versagt der 
Schutz. Bei rechtskräftigen Urteilen ist er 
nur von Bedeutung für die Rechtskrafter- 
streckung auf den nicht als Partei aufge- 
tretenen Gatten, der diejenigen Wirkun- 
gen des Urteils gegen sich gelten lassen 
muß, die es für ihn bei Gültigkeit der Ehe 
gehabt hätte. Kann doch im Verhältnis 
der Parteien zueinander schon nach all- 
gemeinem Grundsatz die Wirksamkeit des 
Urteils wegen Nichtigkeit der Ehe nicht 
in Frage gestellt werden. — Ausgeschlos- 
sen wird die Vergünstigung durch Kennt- 
nis der Nichtigkeit oder durch Nichtig- 
keitserklärung. Unschädlich sind grob- 
fahrlässige Unkenntnis und Kenntnis der 
Nichtigsei:statsachen ohne Kenntnis ihrer 
rechtlichen Bedeutung. 
Auch im Verhältnis der Gatten sind 
  
381 
gewisse Ehewirkungen auf Verlangen 
desjenigen, der die Nichtigkeit beim Ehe- 
schluß allein nicht kannte, aufrechtzuer- 
halten. Will er es nicht bei den Nichtig- 
keitsfolgen belassen, so kann er durch un- 
widerrufliche, empfangsbedürftige, form- 
lose, selbst stillschweigende Erklärung die 
vermögensrechtliche Stellung eines ge- 
schiedenen unschuldigen Gatten bean- 
spruchen, 1345. Eine Behandlung teils 
nach Nichtigkeits-, teils nach Scheidungs- 
recht ist ihm verwehrt, a. M. Mitteis 13. 
Das Recht ist aktiv und passiv vererblich 
und unverjährbar. — Wegen der Person 
des Berechtigten bei Ehen, die wegen Dro- 
hung und Irrtums angefochten sind, vergl 
1346, und bezüglich eines eingeschränkten 
Rechts bei Anfechtung aus 1350 vgl 1351. 
Die weitestgehende Durchbrechung des 
Nichtigkeitsprinzips ist zugunsten der Kin- 
der aus nichtigen Ehen erfolgt (s. darüber 
unter Stichwort Kinder aus nichtigen 
Ehen). 
In drei Fällen kann die Nichtigkeit mit 
rückwirkender Kraft geheilt werden. Gül- 
tig werden formnichtige, ins Heiratsre- 
gister eingetragene Ehen durch ein zehn- 
jähriges, beim früheren Tode eines Gatten 
bis auf drei Jahre ermäßigtes eheliches 
Zusammenleben, wenn nicht vorher der 
Formmangel durch Nichtigkeitsklage gel- 
tend gemacht wird, 13242; von Geschäfts- 
unfähigen, Bewußtlosen und vorüber- 
gehend Geistesgestörten geschlossene 
Ehen durch eine nach Wegfall des Nich- 
tigkeitsgrundes, aber vor Beendigung der 
Ehe erfolgende empfangsbedürit.ge, sonst 
formlose Bestätigung — auch wider Wil- 
len des anderen Teils —, 1325?; und 
schließlich durch nachträgliche Befreiung 
vom Hindernis des Ehebruchs dem Ver- 
bot zuwider eingegangene Ehen, solange 
sie noch nicht für nichtig erklärt worden 
sind, 1328. 
Von der nichtigen Ehe zu unterscheiden 
ist die Nichtehe (matrimonium non exi- 
stens), auf die keine der erörterten Bestim- 
mungen Anwendung findet, die also we- 
der materiell irgendwelche Wirkungen 
hat noch prozessual besonders behandelt 
wird. Nur ist eine zwischen den Gatten 
erhobene Feststellungsklage Ehesache, 
damit Parteien nicht durch die gewöhn- 
liche Feststellungsklage die rechtskräftige 
Feststellung des Bestehens ihrer Nicht- 
ehe erreichen können, a. M. Dern- 
burg 63. Nichtehen sind formnich-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.