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eine gültige Ehe voraus. — Scheidungs-
gründe sind die im Gesetze bestimmten
Tatbestände, auf Grund deren ein Ehe-
gatte verlangen kann, daß die Ehe durch
Gerichtsurteil aufgelöst werde. Die Auf-
lösung tritt mit der Rechtskraft des Schei-
dungsurteiles ein, B 1564.
l. Absolute Scheidungsgründe sind die
im Gesetze genannten, vom Ermessen des
Gerichtes unabhängigen Tatbestände,
nämlich:
1. Ehebruch, Doppelehe, Päderastie,
Sodomiterei, S 171, 172, 175. Das Schei-
dungsrecht ist jedoch ausgeschlossen,
wenn der andere Gatte dem Ehebruch
oder der strafbaren Handlung zugestimmt
oder der Teilnahme sich schuldig gemacht
hat; ebenso geht das Ehescheidungsrecht
durch Verzeihung unter, B 1565 Abs 2,
B 1570.
2. Wenn ein Ehegatte dem anderen
nach dem Leben trachtet, insidiae, B 1566.
3. Wenn ein Ehegatte den anderen bös-
lich verlassen hat, B 1567. Bösliche Ver-
lassung liegt nur vor:
a. als malitiosa desertio, wenn ein Ehe-
gatte ein Jahr lang gegen den Willen des
anderen in böslicher Absicht der häus-
lichen Gemeinschaft sich fernhält und seit
Jahresfrist sowie noch zur Zeit des Ur-
teils die Voraussetzungen der öffentlichen
Zustellung vorliegen ;
b. als quasi malitiosa desertio, wenn
ein Ehegatte rechtskräftig zur Herstellung
der ehelichen Gemeinschaft verurteilt
worden ist und sodann ein Jahr lang
gegen den Willen des anderen Ehegatten
in böslicher Absicht dem Urteile nicht
Folge leistet. Der Ehegatte muß jedoch
bereit sein, den anderen bei sich aufzu-
nehmen. — Durch Verzeihung geht das
Recht auf E unter, B 1570.
II. Relative Scheidungsgründe sind Tat-
bestände, die nach dem Ermessen des Ge-
richtes eine Scheidung der Ehe notwendig
machen, nämlich:
1. Schwere Verletzung der durch die
Ehe begründeten Pflichten, B 1568; z. B.
grobe Mißhandlung, Verletzung der Un-
terhaltspflicht.
2. Ehrloses oder unsittliches Verhalten,
B 1568, z. B. Verurteilung zu Zuchthaus-
strafe, Tribadie, andere Sittlichkeitsdelikte
als die unter den absoluten Scheidungs-
gründen genannten.
Bei diesen relativen Scheidungsgründen
muß nach dem Ermessen des Gerichtes
Ehescheidung.
eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen
Verhältnisses verschuldet sein, daß dem
anderen Ehegatten eine Fortsetzung der
Ehe nicht zugemutet werden kann, B
1568. Durch Verzeihung geht das Schei-
dungsrecht unter, B 1570.
3. Eine Scheidung kann verlangt wer-
den, wenn ein Ehegatte in Geisteskrank-
heit verfällt und die Krankheit während
der Ehe mindestens 3 Jahre gedauert und
einen solchen Grad erreicht hat, daß die
geistige Gemeinschaft zwischen den Ehe-
gatten aufgehoben sowie jede Aussicht
auf Wiederherstellung dieser Gemein-
schaft ausgeschlossen ist, B 1569. Gei-
stige Gemeinschaft bedeutet nicht eine
Gemeinsamkeit der geistigen Ziele der
Gatten, sondern nur eine Gemeinschaft in
unmittelbarer Beziehung auf die Zwecke
der Ehe.
III. Die Scheidungsklage muß in allen
Fällen (ausgenommen den der Geistes-
krankheit) binnen 6 Monaten seit Kennt-
nis vom Scheidungsgrunde erhoben wer-
den, B 1571. Die Klage ist ausgeschlos-
sen, wenn seit dem Eintreten des Schei-
dungsgrundes 10 Jahre verstrichen sind.
Die Frist läuft nicht, solange die häus-
liche Gemeinschaft aufgehoben ist; die
Frist läuft vom Tage der Aufforderung zur
Herstellung der ehelichen Gemeinschaft
oder vom Tage der Klageerhebung oder
dem Tage der Ladung zum Sühnetermin.
Ein Scheidungsgrund, der nicht mehr gel-
tendgemacht werden kann, darf im Laufe
des Rechtsstreites geltendgemacht wer-
den, sofern die Frist zur Zeit der Klage-
erhebung noch nicht verstrichen war,
z. B. ein Ehegatte klagt wegen grober
Mißhandlung und bringt nachträglich
einen zur Zeit dieser Klageerhebung noch
nicht verjährten Ehebruch vor. Ferner
darf zur näheren Ausführung einer Schei-
dungsklage ein verjährter Scheidungs-
grund angebracht werden, B 1572. — Die
Scheidungsklage ist eine Gestaltungs-
klage. Über den Prozeß s. Ehesachen.
Über Ehescheidung im römischen Rechte
s. nuptiae.
IV. Der Ehegatte, welcher den Schei-
dungsanspruch hat, kann statt der E die
Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft
verlangen, B 1575; jedoch kann der andere
Ehegatte, falls die Klage begründet ist, die
E verlangen. — Ist nur auf Aufhebung der
ehelichen Gemeinschaft erkannt, so kann
nachträglich jeder Ehegatte die E auf