Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Ehescheidung — Eheschließung. 
Grund dieses Urteils verlangen, B 1576; 
dieses Recht steht ihm jedoch nicht zu, 
wenn nach jenem Urteil die eheliche Ge- 
meinschaft wiederhergestellt ist. P. 
Eheschenkung (RR) siehe donatio, 
Schenkung. 
Eheschließung, derjenige Akt, durch 
welchen die Ehe, die rechtlich anerkannte 
vollständige Lebensgemeinschaft zwi- 
schen Mann und Frau, begründet wird, 
ist zu allen Zeiten und bei allen Völkern 
durch Sitte und Recht bestimmt worden. 
I. In den ältesten Zeiten der Mensch- 
heit bedeutete die Ehe Eigentum an der 
Frau oder doch wenigstens Machtverhält- 
nis über sie. Dieses wird erworben durch 
Kauf von der Familie oder durch Raub, 
mit oder ohne nachfolgende Entschädi- 
gung (Kaufehe, Raubehe). Mit steigender 
Kultur verschwindet die letztere Form. 
Aber auch die Kaufehe wandelt sich: der 
Wille der Frau tritt mitbestimmend auf. — 
Die regelmäßige Eheschließungsform bei 
den Römern war die coemptio, eine Abart 
der Manzipation. Erworben wurde durch 
sie die manus über die Frau. Ohne ma- 
nus — keine Ehe. Als man später Ehen 
auch ohne manus anerkannte, mußte die 
freie Willensübereinstimmung genügen, 
und das Endergebnis der römisch-recht- 
lichen Entwickelung (auf die hier im ein- 
zelnen nicht einzugehen ist) lautet: nudus 
consensus facit nuptias. Diesem Haupt- 
vertrag pflegte ein Vorvertrag, Verlöbnis, 
mentio ac repromissio futurarum nuptia- 
rum, voranzugehen, der aber nicht klag- 
bar war und dessen Bruch nicht zum Scha- 
densersatz verpflichtete. Auch bei den 
Germanen hat sich der Frauenkauf zu 
einem Kaufe der Munt abgeschwächt 
(schon in den leges barbarorum). Durch 
Zahlung des Kaufpreises und Übertragung 
der Munt (traditio) wird, wenigstens re- 
gelmäßig, die Ehe nach vorangegangener 
Vereinbarung über Objekt und Preis (Ver- 
lobung) geschlossen. Mit der steigenden 
sittlichen und rechtlichen Bedeutung der 
Frau tritt die Munt zurück; der Muntkauf 
wird Scheinkauf, der Kaufpreis ein Schein- 
preis. Aber im Gegensatze zum römi- 
schen Rechte hält das deutsche an der 
Form der Tradition fest, obwohl der Wille 
der Parteien das rechtlich allein Bestim- 
mende geworden war. 
II. Die älteste Kirche hat die rechtliche 
Seite der Ehe zunächst nicht behandelt. 
Sie wünschte natürlich, daß sich die Chri- 
  
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sten darüber unterrichteten, ob ihrer Ehe 
vom Standpunkte der christlichen Moral 
oder Religion Bedenken entgegenständen 
(professio); eine kirchliche Betätigung 
findet sich daher nicht bloß bei der Eh(e- 
schließung), sondern schon bei dem Ver- 
löbnis. Die Kirche hat jedoch diese Be- 
tätigung niemals als Erfordernis zur Gül- 
tigkeit behandelt, und wenn die Schola- 
stiker den Unterschied von Ehe und Ver- 
löbnis (den sie übrigens im römisch-recht- 
lichen Sinne faßten) klarlegen und in sei- 
nen Konsequenzen verfolgen, so tun sie 
dies in allererster Linie vom Standpunkte 
der Sakramentslehre aus, mit der aller- 
dings der wichtigste Unterschied, die Lös- 
lichkeit bzw Unlöslichkeit des Verhält- 
nisses zusammenhing. Der Standpunkt 
der Kirche wurde ein anderer, als sie die 
Ehegerichtsbarkeit übernahm und nun- 
mehr im einzelnen Falle über die Rechts- 
gültigkeit der Ehe zu befinden hatte. Jetzt 
begann sie ein eigenes Eheschließungs- 
recht zu entwickeln und zu handhaben; 
dieses wurzelt in dem einfachen Satze des 
römischen Rechts: consensus facit nup- 
tias, der allerdings in der von der schola- 
stischen Sakramentslehre übernommenen 
Terminologie erscheint: sponsalia de fu- 
turo (= Verlöbnis im römischen Sinne), 
sponsalia de praesenti (= Ehe), wobei in 
der zu den sponsalia de futuro hinzutre- 
tenden copula carnalis eine praesumptio 
iuris et de iure für den Eheschließungs- 
willen gefunden wird. Irgendeine Form 
wird nicht erfordert. Daß dieses formlose 
Eheschließungsrecht nicht noch schlim- 
mere Wirkungen gezeitigt hat, als es 
wirklich der Fall gewesen ist, ist für 
Deutschland durch die Volkssitte verhin- 
dert worden, welche an der Öffentlichkeit 
und an den alten Formen der Tradition, 
die allerdings leere Formen waren, fest- 
hielt. Diesem Zustande machte die 
Kirche durch die Vorschrift des Tridenti- 
num ein Ende, wonach die Konsenserklä- 
rung der Verlobten bei Strafe der Nich- 
tigkeit (impedimentum clandestinitatis) in 
Gegenwart des zuständigen Pfarrers und 
von zwei oder drei Zeugen vor sich zu 
gehen habe. Dieses Recht galt aber nur 
dort, wo das Tridentinum in der Landes- 
sprache verkündet worden war. Den 
Streitigkeiten über die Frage, wo dies der 
Fall sei, hat Pius X. durch die constitutio 
Provida für Deutschland und das Dekret 
„Ne temere‘ ein Ende bereitet. Die kirch-
	        
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