Entbindung — Enteignung.
und endlich die geschickte Ausführung.
Es gibt kaum eine zweite ärztliche Ver-
richtung, die größere Anforderungen an
das Nervensystem des Arztes stellt als
eine Entbindung; insbesondere trifft diese
Ansicht für die Landpraxis zu, wo ohne
Assistenz unter den denkbar ungünstig-
sten Verhältnissen schwierige, höchst ver-
antwortungsvolle Eingriffe vorgenommen
werden müssen; vorkommende Kunst-
fehler sind dann von diesem Gesichts-
punkt aus zu betrachten. Im gewöhn-
lichen Sprachgebrauch wird „Entbin-
dung‘ vielfach gleich „Geburt“ ange-
wendet. Sachs.
Entbindungsanstalten, private.
Über die Konzession, deren diese An-
stalten bedürfen, gilt das gleiche, was bei
den Privatkrankenanstalten gesagt ist.
Insbesondere bedarf es einer Kontrolle
dieser Anstalten und einer Gewähr der
Zuverlässigkeit des Unternehmers wegen
der nahen Gefahr, daß bei nichtärztlicher
Leitung sich einige von ihnen zu Stätten
unsachgemäßer, wenn nicht strafbarer
Eingriffe in den Geburtsprozeß entwik-
keln. Die Hebammen bedürfen eines Prü-
fungszeugnisses der nach den Landesge-
setzen zuständigen Behörde. Die Landes-
gesetze bestimmen auch die Bedingungen,
unter denen dieses Zeugnis erteilt wird.
Da die Hebammen unter der Aufsicht des
Kreisphysikus stehen, so wird diese Auf-
sicht auch auf von Hebammen geleitete
Entbindungsanstalten auszudehnen sein.
Bezgl der Hebammen vgl für Preußen: Verf des Min
der geistl usw Angel vom 6. Aug 1883, MinBl 211, und
vom 1. April 1899, MinBl 76, Erl vom 12. Sept 1891,
MinPl 165; für Bayern: Verordn vom 23. April 1874,
GVBI 219, 222 ff, vom 26. Juli 1890, GVBl 527, und vom
4. Juni 1899, GVBl 413; für Sachsen: Hebammenordnung
vom 16. Nov 1897, GVBl 152 ff; für Württemberg: Ges vom
22. Juli 1836, Verf vom 19. Dez 1863 und vom 12. Nov
1885. Vgl ferner: OV 11 302, 17 365, 223 331, 34 310.
Weigelt.
Entehrende Strafen s. Aberkennung,
Zuchthaus.
Enteignung bezeichnet die Entzie-
hung oder Beschränkung des Privateigen-
tums, die im Einzelfalle durch die Ver-
waltungsbehörde auf Grund überwiegen-
den öffentlichen Interesses zugunsten
eines Unternehmens erfolgt. Als Unter-
nehmer kann der Staat, eine andere öffent-
lich-rechtliche Gemeinschaft, eine private
Rechtspersönlichkeit in Betracht kommen.
Die Entziehung darf der Natur des Rechts-
staats entsprechend kein Willkürakt sein,
muß also gegen volle Entschädigung ge-
schehen. Nach Einf-B 109 ist deren Re-
gelung grundsätzlich der Landesgesetzge-
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bung überlassen. Zu unterscheiden sind
die Eigentumsbeschränkungen, welche
kraft Gesetzes allen Grundstücken (z. B.
Nachbarrecht) oder solchen in bestimmter
Lage, wenn auch gegen Entschädigung
auferlegt sind, vgl 8 1 des prÖes zur Ver-
hütung von Hochwassergefahren vom
16. Aug 1905; 88 1, 34 des Festungs-
rayonges vom 21. Dez 1871; 8 11 ff RGes
über Naturalleistungen im Frieden vom
13. Febr 1875. Streitig ist die Rechts-
natur der E(n)t(ei)g(nung). Vielfach sieht
man in ihr einen Zwangskauf. Zivilrecht-
lich wird aber der Enteignete überhaupt
nicht verpflichtet, er muß sich nur die Ent-
ziehung des Eigentums gefallen lassen.
Dieses geht ohne Zutun der Beteiligten
lediglich mit der Zustellung des Enteig-
nungsbeschlusses über. Der Enteignungs-
berechtigte zahlt eine Entschädigung,
keinen Kaufpreis. Aus der Etg wird er
nicht nur hierzu, sondern auch zur Her-
stellung von Wegen, Gräben usw, selbst
im Interesse Dritter, verpflichtet, $ 14
prOes vom 11. Juni 1874; $ 5 badGes von
1899, wofür bei Annahme eines Zwangs-
kaufes jede Erklärung fehlt. Aus diesen
und andern Gründen muß die Theorie des
Zwangskaufes verworfen werden. Die
Etg ist vielmehr lediglich als ein mit
bürgerlich-rechtlichen Wirkungen ausge-
statteter Staatshoheitsakt zu charakteri-
sieren, wie denn auch die Zwangsverstei-
gerung keinen Zwangskauf, sondern eine
staatliche Verleihung des Eigentums ent-
hält, RG Gruchot 52 882; Fischer und
Schäfer Zg 30, sonst RGZ 12 402;
Gruchot 25 971, dagegen RGZ 18 341,
24 323, 31 273, von neueren Schriftstellern
Koffka$ 1 Nr 3, woselbst weitere Lite-
ratur. Die Etg betrifft wesentlich nur das
Grundeigentum und dessen Zubehörung.
Jedoch sind ihr auch bewegliche Sachen
nicht entzogen. Es handelt sich hierbei
aber immer nur um einzelne bestimmte,
bewegliche Sachen und Sachgattungen, die
in besonderen Fällen gegen Entschädi-
gung enteignet werden können, so Kriegs-
bedürfnisse im Kriegsfall RGes vom
13, Juni 1873; Vieh bei Seuchen 88 3, 4,
RGes 7. April 1869; 88 57ff ROes vom
1. Mai 1894; Wegebaumaterialien
88 234, 50ff prGes vom 11. Juni 1874.
Ein näheres Eingehen auf diese Sonder-
fälle kann daher unterbleiben. Wem das
Eigentum an den zu enteigneten Gegen-
ständen zusteht, ist unerheblich.