Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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Beim Grundeigentum trat auch zuerst 
das Bedürfnis auf nach Ausbildung der 
Etg, zunächst beim Bergbau, später hin- 
sichtlich der öffentlichen Straßen. Das 
ALR I, 11 $ 4 und Einl $ 75 erkannte 
ganz allgemein an, daß der Staat je- 
manden, sofern es das allgemeine Wohl 
erfordere, zum Verkauf seiner Sachen 
gegen Entschädigung zwingen könne. 
Erst die neuere Entwickelung des Ver- 
kehrs (Eisenbahn, Straßen, Kanäle usw) 
gab aber den Hauptanstoß zur Fortbil- 
dung des Enteignungsrechtes. Nunmehr 
ist die Etg des Grundeigentums für ganz 
Preußen geregelt durch Ges vom 11. Juni 
1874 (GrundEG), für Bayern Ges vom 
17. Nov 1837, Württemberg Ges vom 
20. Dez 1888, Sachsen Ges vom 24. Juni 
1902, Baden Ges vom 26. Juni 1899 usw. 
Trotz Verschiedenheit im einzelnen sind 
die Grundsätze überall wesentlich die- 
selben, weshalb dem Folgenden wesent- 
lich das preußische Recht zugrunde liegt. 
Das GrundEG findet aber nach 8 54 
keine Anwendung auf die dort aufge- 
führten Sonderfälle (Entziehung oder Be- 
schränkung im Interesse der Landeskul- 
tur, -triangulation und des Bergbaues). 
Dagegen sind seine hauptsächlichsten Be- 
stimmungen, wenn auch mit Abweichung 
im einzelnen, für anwendbar erklärt in 
dem Fluchtlinienges vom 2. Juli 1875 
88 13, 14 (s. d.) und in dem Ges vom 
20. März 1908 betr Maßnahmen zur Stär- 
kung des Deutschtums 88 18 ff. 
I. Bei der Etg handelt es sich zunächst 
darum, festzustellen, welchem Unter- 
nehmen der Staat als Inhaber des Enteig- 
nungshoheitsrechtes das Recht verleiht, 
sie fordern zu dürfen. In manchen Län- 
dern, in Deutschland für gewisse Reichs- 
eisenbahnen, R 41, bedarf es jedesmal 
eines besonderen Gesetzes. In andern 
Fällen zählt das Enteignungsgesetz be- 
stimmte Arten von Unternehmungen auf, 
für welche das Enteignungsrecht bean- 
sprucht werden kann (so Preußen in den 
obenerwähnten Sondergesetzen, so 
Bayern Art I), was aber leicht Unvollstän- 
digkeit mit sich bringt. Das Gesetz kann 
aber auch nur allgemein das öffentliche 
Wohl als ausreichendes Erfordernis für 
die Zulässigkeit der Etg aufstellen (so 
ALR, so GrundEG 1, Württemberg Art 
1, 2). Zum Schutze des einzelnen bedarf 
es darnach im allgemeinen Kgl Verord- 
nung, GrundEG 2. Nur in Ausnahme- 
  
Enteignung. 
fällen genügt ein Beschluß des Bezirks- 
ausschusses. Ähnlich bedarf es auch in 
Württemberg, Sachsen und Baden einer 
Kgl Verordnung bzw einer Entscheidung 
des Staatsministeriums. 
II. Für das so als enteignungsberechtigt 
anerkannte Unternehmen ist dann ein 
Plan aufzustellen, der im einzelnen die 
Eingriffe in das Privateigentum, den Um- 
fang der zu enteignenden Grundflächen 
usw, die Anlagen an Wegen, Gräben usw 
feststellt. Einigen sich die Beteiligten 
nicht, so wird auf Antrag des Unterneh- 
mers der Plan ausgelegt. Jeder Betei- 
ligte kann binnen bestimmter Frist Ein- 
wendungen erheben, die dann erörtert 
werden. Alsdann wird der Plan endgültig 
festgestellt. Dies geschieht in Preußen 
regelmäßig durch den Bezirksausschuß, 
vorbehaltlich des Rekurses an den 
Minister. Nach einem ähnlichen Ver- 
fahren und Anhörung von Sachverstän- 
digen wird darauf unter Zugrundelegung 
genauer Einzelauszüge aus dem Grund- 
buche für jeden Eigentümer und Nut- 
zungsberechtigten die ihm zu zahlende 
Entschädigung durch begründeten Be- 
schluß des Bezirksausschusses festge- 
setzt, dabei zugleich bestimmt, daß die 
Etg erst nach Zahlung oder Hinterlegung 
des Betrages erfolge. Dieser Beschluß 
kann von jedem Beteiligten binnen einer 
Ausschlußfrist von 6 Monaten nach Zu- 
stellung beim Gericht der belegenen 
Sachen angefochten werden. Das gericht- 
liche Verfahren betrifft nur die Entschädi- 
gung, also z. B. nicht die Legitimation des 
im Enteignungsverfahren Zugezogenen, 
nicht die Anlagen des GrundEG 14. Nach 
Ablauf der Ausschlußfrist, rechtskräftiger 
Erledigung etwaiger Prozesse und nach 
Bezahlung oder — bei Vorhandensein von 
Nebenberechtigten — Hinterlegung der 
endgültig festgestellten Entschädigung 
wird die Etg ausgesprochen, die auch Be- 
sitzanweisung enthält. Baden gibt nur 
einen im Verwaltungswege realisierbaren 
Besitzanspruch. In dringenden Fällen, die 
tatsächlich die Regel bilden, kann in 
Preußen schon nach Zahlung oder Hinter- 
legung der vom Bezirksausschuß fest- 
gestellten Entschädigung die Etg ausge- 
sprochen werden. Baden kennt in solchen 
Fällen eine frühere Besitzanweisung, 
badGes 52. Über die Weitläufigkeit des 
Verfahrens, das auch in andern Staaten, 
abgesehen von Preußen, ähnlich ist, wird
	        
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