Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Evangelische Landeskirche — Eventualaufrechnung. 
Evangelische Landeskirche s. Lan- 
deskirche. Ä 
Eventualaufrechnung. Schulden 
zwei Personen einander Leistungen, die 
ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, 
so kann jeder Teil seine Forderung: 
gegen die Forderung des anderen Teils 
aufrechnen, sobald er die ihm gebührende 
Leistung fordern und die ihm obliegende 
Leistung bewirken kann, B 387. Diese 
Aufrechnung erfolgt außerhalb, aber auch 
innerhalb des Prozesses durch eine ein- 
seitige ankunftsbedürftige, nur unbedingt 
und unbefristet wirksame Willenserklä- 
rung gegenüber dem anderen Teile, B 388, 
Hierdurch wird aber die sog Ev(entualauf- 
rechnung) nicht ausgeschlossen. Der Be- 
klagte bestreitet in erster Linie die Rechts- 
gültigkeit des vom Kläger vorgebrachten 
Anspruches und trägt in zweiter Linie eine 
ihm gegen den Kläger zustehende, von 
diesem nicht bestrittene Gegenforderung 
vor, weiche er für den Fall, daß das Ge- 
richt den Anspruch des Klägers für be- 
gründet ansehen sollte, zur Aufrechnung 
gegenüber dieser Klageforderung stellt. 
Diese Ev ist nur scheinbar an eine Be- 
dingung geknüpft, denn in Wahrheit ist 
die Aufrechnungserklärung nicht von 
einem künftigen, ungewissen Ereignis ab- 
„hängig gemacht, sondern nur von der ge- 
setzlichen Voraussetzung der Aufrech- 
nung, nämlich der Voraussetzung, daß die 
Klageforderung besteht. Es stehen sich 
also illiquide Klageforderung und liquide 
Gegenforderung gegenüber. 
Über die prozessuale Behandlung der 
Ev herrscht in der Literatur Streit, es 
stehen sich die Klageabweisungstheorie 
(Stölzel, Kipp, Endemann) und die Be- 
weiserhebungstheorie (Eccius, Gaupp- 
Stein, Oertmann, Planck, Busse) gegen- 
über. Nach der ersteren muß der Klä- 
ger, welcher nach der Aufrechnungser- 
klärung des Beklagten bei seinem Klage- 
antrage verbleibt, ohne näheres Eingehen 
auf seine Klagebegründung,, also insbe- 
sondere ohne Beweiserhebung abgewie- 
sen werden und zwar durch Endurteil un- 
ter Verurteilung in die Kosten des Rechts- 
streites. Das Urteil könne die Frage, ob 
die illiquide Klageforderung durch die 
Gegenforderung getilgt sei, offen lassen; 
diese Frage komme erst zur Entschei- 
dung, wenn der Beklagte seine Gegenfor- 
derung einklagen wolle. Dieser zweite 
Prozeß könne jedoch dadurch vermieden 
  
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werden, daß der Kläger seinen Antrag 
auf Feststellung dahingehend richte, daß 
die beiderseitigen Forderungen erloschen 
seien. Sodann müsse Beweis erhoben 
und der unterliegenden Partei die Kosten 
auferlegt werden. 
Nach der Beweiserhebungstheorie ist 
dagegen in jedem Falle zunächst über das 
Bestehen oder Nichtbestehen der Klage- 
forderung Beweis zu erheben und erst 
dann das Endurteil zu sprechen; in jedem 
Falle ist der Kläger in die Kosten des 
Rechtsstreites zu verurteilen. Tritt der 
Kläger z. B. für seine Klageforderung kei- 
nen anderen Beweis als durch Eideszu- 
schiebung (z. B. über den Empfang eines 
Darlehens) an, so muß das Gericht dem 
Beklagten durch bedingtes Endurteil den 
Eid über die klagebegründende Behaup- 
tung (Darlehensempfang) auferlegen. Der 
Tenor des Urteils würde in einem solchen 
Falle lauten: „Der Beklagte hat folgenden 
Eid zu leisten: Ich schwöre bei Gott dem 
Allmächtigen und Allwissenden. Ich habe 
von dem Kläger ein Darlehen von ein- 
hundert Mark nicht erhalten. So wahr mir 
Gott helfe. Im Falle der Leistung und 
der Nichtleistung des Eides wird der Klä- 
ger mit der erhobenen Klage abgewiesen 
und verurteilt, die Kosten des Rechts- 
streites zu tragen.‘‘ 
Dieser Tenor allein ist ohne die Gründe 
nicht verständlich. Im Falle der Eideslei- 
stung wird auf Z 463 voller Beweis der 
beschworenen Tatsache begründet, es 
steht also fest, daß der Beklagte das Dar- 
lehen seitens des Klägers nicht erhalten 
hat. In diesem Falle erfolgt die Abwei- 
sung des Klägers wegen Unbegründetheit 
der Klageforderung. Die Verweigerung 
der Eidesleistung hat dagegen nach Z 464 
Abs 2 zur Folge, daß das Gegenteil der 
zu beschwörenden Tatsache als voll be- 
wiesen gilt. Der Beklagte hat also das 
Darlehen erhalten, und die Klageforderung 
ist begründet. Trotzdem aber erfolgt die 
Abweisung der Klage auf Grund der vom 
Beklagten eventuell vorgebrachten, vom 
Kläger anerkannten Gegenforderung. Zur 
Vermeidung der an sich unverständlichen 
Urteilsformel ist es praktisch, in diese 
kurz die Gründe aufzunehmen, zumal die- 
ses nach den Bestimmungen der Z nicht 
unzulässig ist. Der Tenor könnte dann 
hinsichtlich der Folgen der Leistung und 
der Verweigerung des Eides, wie folgt, 
lauten: „Leistet der Beklagte den Eid, so
	        
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