Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

Fürsorgeerziehung. 
Abs 2 zu handeln.‘ Das ist schwer mit 
dem Gedanken zu vereinen, daß der Kom- 
munalverband eben nicht als Vertreter, 
sondern in eigenem Namen kontrahiert. 
Die rechtliche Gültigkeit solcher Ver- 
träge ist entgegen dieser „communis opi- 
nio“ zu bezweifeln. Entweder ist der 
Wille der Kontrahenten auf den gleichen 
wirtschaftlichen Erfolg gerichtet wie der 
gewöhnliche Lehrvertrag. Dann bedarf er 
der Formen eines solchen, insbesondere 
des Abschlusses durch den gesetzlichen 
Vertreter, B 125, 117 Abs 2. Oder es trifft 
wörtlich zu, was Horion sagt: „Der 
Fürsorgezögling ist Objekt des Abkom- 
mens.‘‘ Also der Kommunalverband ver- 
schafft dem Arbeitgeber einen Arbeiter, 
dieser leistet dafür Belehrung und weiter 
Entgelt an den Kommunalverband. Wäre 
das zulässig, so wären B 611 ff und die 
Gw umsonst geschrieben. Diese Gesetze 
aber enthalten zwingende Bestimmungen, 
deren Umgehung das betreffende Ab- 
kommen nichtig macht, vgl Dernburg 
BR 1 125 Nr 3. Solange die Unterbrin- 
gung allein den Gegenstand des Abkom- 
mens bildet, handelt der öffentliche Er- 
zieher innerhalb seiner Befugnisse. So- 
bald er aber über die Arbeitskraft des 
Zöglings kontrahiert, handelt er nicht in 
einer für das bürgerliche Recht erheb- 
lichen, also gültigen Weise. Zu welchen 
verzweifelten Konstruktionen man greifen 
muß, um den „Dienstverschaffungsver- 
trag‘‘ in der Rechtsordnung einzuglie- 
dern, vglbeiGordan $9S83 Abs 3. — 
Praktisch wird kaum ein Interesse be- 
stehen, gegen die ja durchaus zweck- 
mäßigen Verträge anzugehen. 
II. Die FE in den anderen Bundes- 
staaten (zusammengestellt bei Schmitz 
324 ff). Eine Reihe von Gesetzen läßt die 
FE immer zu, „wenn die Voraussetzun- 
gen des B 1666 oder des B 1838“ vor- 
liegen. Doch bleibt auch ihr Zweck Be- 
kämpfung der Verwahrlosung und nicht 
Bekämpfung der anderen Gefahren, gegen 
welche B 1666 sich richtet. Das sächsi- 
sche Gesetz gibt den zweckmäßigen Zu- 
satz: „und wenn die Entfernung des Min- 
derjährigen aus seiner bisherigen Umge- 
bung erforderlich ist‘. Im gleichen Ge- 
setz werden die Verpflichtungen der Ar- 
menbehörden zur Finanzierung der Maß- 
nahmen aus B 1666 gegen andere Ge- 
fahren genau festgelegt, so daß Konflikte 
wie in Preußen unmöglich sind. Ähnlich 
  
563 
ist Hamburg verfahren, Ges vom 11. Sept 
1907. In verschiedenen Staaten ist das 
obere Überweisungsalter auf 16 Jahre 
festgesetzt. Eine Altersgrenze nach un- 
ten gilt z. B. in Hessen, Weimar und Al- 
tenburg (6 Jahre). In einzelnen Staaten 
wird nur auf Antrag verfahren. Andere 
gestatten den Antrag jedem (z. B. Meck- 
lenburg, Lippe, Waldeck, Coburg-Gotha). 
In einigen Staaten kann das Vormund- 
schaftsgericht auch von Amts wegen wie- 
der aufheben, z. B. Altenburg Ges 114. 
In Hamburg und in Mecklenburg liegt das 
Verfahren in den Händen einer besonde- 
ren, nicht gerichtlichen Behörde. Die Aus- 
führung liegt allenthalben in den Händen 
von Verwaltungsbehörden. Die Kosten 
trägt in Anhalt zur Hälfte der Landarmen- 
verband, zur Hälfte der Ortsarmenver- 
band. In Baden teilen Armenverband und 
Staat sich in die Kosten, ebenso in Braun- 
schweig. Vorwiegend ist das Rückgriffs- 
recht gegen die Unterhaltspflichtigen des 
Privatrechtes gegeben. Oldenburg und 
Rudolstadt haben keinen Rückgriff einge- 
richtet. Die sofortige Beschwerde ist kei- 
neswegs überall das einzige zulässige 
Rechtsmittel. Doch hat man die auf- 
schiebende Wirkung der Beschwerde stets 
nur bei befristeten Beschwerden (Anhalt 
$ 7 Abs 2; Braunschweig 8 6; Mecklen- 
burg $ 9). Es gibt Schlußverhandlungen 
mit Verkündigung des Beschlusses (An- 
halt $ 3), während man in Preußen die 
Zustellung vorgeschrieben hat, die aller- 
dings meines Erachtens durch Verkün- 
dung an Anwesende für diese ersetzt wird. 
Übereinstimmend Schmitz 8 4 Nr 35 
Abs 3, Aschrott Nr 16. Anderer Mei- 
nung Gordan Nr 22 Abs 3 und für 
Bayern v. d. Pfordten Art 4 Nr 3a 
Abs 2. 
Elsaß-Lothringen hat die FE wegen 
schon begonnener Verwahrlosung da- 
durch nahezu ausgeschlossen, daß es, AG 
123 Nr 1, das Einverständnis des Va- 
ters bzw der sorgeberechtigten Mutter 
voraussetzt. 
Das sächsische Gesetz unterwirft auch 
die infolge der strafrechtlichen ZwE in 
öffentliche Erziehung gelangenden Perso- 
nen den Regeln der FE; vgl bei Zwangs- 
erziehung. 
Die Finanzierung des B 1666 und 1838 
durch das sächsische FEG 21 lautet: 
„Ordnet das Vormundschaftsgericht auf 
Grund des B 1666 oder des B 1838 die 
36 *
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.