Gaius.
unter diesem Vornamen bekannt ist. Von
seinen äußeren Lebensumständen besitzen
wir nur äußerst dürftige Kenntnisse, da
wir hierfür lediglich auf seine eigenen
Werke angewiesen sind, von Zeitgenos-
sen wird G(aius) nämlich überhaupt nicht
erwähnt — 1 39 D 45, 3 bezieht sich auf
G Cassius Longinus. Zum ersten Male er-
scheint er in Kaiserkonstitutionen des
5. sc. Aus diesem Grunde hat man neuer-
dings die Behauptung aufgestellt, daß
unser Jurist gar nicht existiert habe, resp
mit G Cassius Longinus, dem Haupte und
Mitbegründer der sabinianischen Rechts-
schule, identisch sei; vgl in diesem Sinne:
Kniep Praescriptio et pactum, 91;
Longinescu Gaius der Rechtsgelehrte,
06, und vor allem Kalb in Bursians
Jahresber 96 222, 01 40. Gegen diese
zweifellos irrige Lehre wendet sich
Herzen in ZGSt 99 211 ff.
Soviel sich aus seinen Schriften ersehen
läßt, ist G spätestens unter der Regierung
Hadrians geboren, denn er erwähnt in I 7
pr D 34, 5 ein unter Hadrian fallendes Er-
eignis, das sich zu seinen Lebzeiten zuge-
tragen hat. Vor 138 p. Chr scheint er keine
seiner Schriften verfaßt zu haben, ebenso
nicht viel nach 178 p. Chr, dem Datum des
SC Orfilianum, mit dem sich sein letz-
tes uns bekanntes Werk beschäftigt — I 9
D 38, 17.
Aus der Tatsache nun, daß wir lediglich
seinen Vornamen kennen, was für einen
Römer höchst auffallend ist, ferner, daß er
allein einen Kommentar zum Provinzial-
edikt geschrieben hat, sowie aus gewissen
anderen Anzeichen, die sich in seinen
Schriften finden, z. B. seine Bekanntschaft
mit bithynischen und galatischen Rechts-
sätzen, I 8 55; $ 198; seine Kenntnis der
griechischen Rechtssprache, 1 25 86 D19,
2;1130 8 2; 233 $ 2; 236 D 50, 16; sowie
der solonischen Gesetze, | 13 D 10, 1;14
D 47, 22; und endlich deshalb auch, daß
die von ihm erwähnten Städte italischen
Rechts ausschließlich der griechichen
Reichshälfte angehören, I 7 D 50, 15, hat
Mommsen in seinem bekannten Auf-
satz „Gaius ein Provinzialjurist‘“ in DJahr-
bbGemR 59 1—15 geschlossen, daß G
nicht in Rom, sondern in einer Provinz
der östlichen Reichshälfte, wahrscheinlich
in Asia proconsularis, gelebt und gewirkt
habe, eine Annahme, die in der Tat vieles
für sich hat. Karlowa RömRGesch 1
722 möchte indessen in G einen Lehrer
567
an einer für Provinziale bestimmten statio
in Rom sehen. Beweisen läßt sich natür-
lich nichts.
In seinen Werken bezeichnet sich G
selbst als Sabinianer, und von den älteren
sabinianischen Schriftstellern, namentlich
dem Pomponius, ist er vielfach beeinflußt
worden. Besonders des letzteren Schrif-
ten hat er sich oft zum Vorbild genom-
men. Seine das gesamte Privatrecht um-
fassenden Schriften sind zahlreich und
reichlich für die justinianische Kompila-
tion exzerpiert worden; die Institutionen
beruhen größtenteils auf seinem gleich-
namigen Werk (s. d.). Die beiden Haupt-
werke, die er verfaßt hat, sind die zwei
Kommentare ad edictum urbicum und der
schon erwähnte ad edictum provinciale,
zu denen er in einer Reihe kleinerer
Schriften Zusätze und Ergänzungen gibt.
Das Zivilrecht hat er in seinen libri ad
Q. Mucium, die er einmal — I1$ 188 — er-
wähnt, von denen sich aber nichts erhalten
hat, sowie in einem Kommentar zu den
XII tab bearbeitet. Von letzterem, der üb-
rigens das jüngste aller uns bekannten
derartigen Werke ist, finden sich einige
Fragmente in den Digesten. Vgl über
nähere Details, insbesondere die chrono-
logische Reihenfolge der einzelnen Schrif-
ten, Krüger Gesch der Quellen 183 bis
186.
Endlich besitzen wir von G noch eine
Anzahl von Schriften, die den Rechtsunter-
richt zum Gegenstand haben, nämlich
seine Institutiones, die res cottidianae sive
aurea und zwei Sammlungen regulae in 1
und in 3 Büchern. Letztere kennen wir
aus einigen sich in den Digesten finden-
den Auszügen. Seine Institutionen aber
bieten für uns noch ein ganz besonderes
Interesse, weil sie das umfangreichste und
besterhaltene Originalwerk der römischen
Juristen darstellen, durch dessen Auffin-
dung unsere Kenntnis des römischen
Rechts und namentlich des Zivilprozesses,
der im 4. Buch behandelt ist, eine wesent-
liche Vertiefung erfahren hat.
Das Buch ist unter der Regierungszeit
des Antoninus Pius begonnen und jeden-
falls erst nach dessen Tode vollendet wor-
den; I $ 53 spricht G noch von dem Kai-
ser Antonin als imperator noster, während
er in II $ 151a die seinen Tod voraus-
setzende Wendung Divus Pius Antoninus
gebraucht. — Abgefaßt istes in 4 Büchern
oder commentarii, in denen nach einer