Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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stung und Gegenleistung erfordert wird, 
ein solcher aber stattfinden kann, wie bei 
dem nur möglicherweise entgeltlichenVer- 
wahrungsvertrag. Doch wird man die 
Frage wohl bejahen, da der Verwahrungs- 
entgelt dabei, wenn vereinbart, rechtlich 
und wirtschaftlich den Charakter eines 
Gegenwerts für die Tätigkeit des Ver- 
wahrers bilde. Nicht aber wird die 
Schenkung dadurch zum gV, daß dem 
Beschenkten eine bestimmte Verwendung 
des Geschenks in Form einer Auflage zur 
Rechtspflicht gemacht wird — denn da- 
mit wird nur ein Nebenzweck verfolgt; 
die Auflage soll bestimmungsgemäß keine 
Gegenleistung für die schenkweise Zu- 
wendung bilden; ihre etwaige Unwirk- 
samkeit hat diejenige der Schenkung 
selbst keineswegs notwendig zur Folge, 
und ihre Nichterfüllung führt zum Rück- 
tritt des Schenkers höchstens insoweit, als 
das Geschenk zu ihrer Erfüllung hätte ver- 
wendet werden sollen, B 527. 
2. Die gV werden angesichts ihrer 
Wichtigkeit meist einer Sonderbehand- 
lung im B unterworfen. Daneben finden 
sich aber in B 320 bis 327 auch allgemeine 
Bestimmungen. Ihr Verhältnis zu jenen 
Sonderregeln ist das der Subsidiarität, 
d. h. sie kommen auf die besonders ge- 
regelten Typen zwar auch, aber erst hinter 
den Sonderregeln zur Anwendung. In den 
denkbaren, freilich nicht sehr häufigen 
Fällen nicht besonders geregelter gegen- 
seitiger Verträge (z. B. Trödelvertrag) da- 
gegen sind die B 320ff von vornherein 
anzuwenden, soweit nicht die besondere 
Abrede oder der erkennbare Zweck des 
Geschäfts dem entgegensteht. 
3. Die rechtliche Besonderheit der 
gV besteht in der Abhängigkeit der bei- 
derseitigen Pflichten. Diese kann sich in 
dreifacher Weise ergeben: in der Entste- 
hung, der Geltendmachung, der Dauer. 
a. In der Entstehung („genetisches 
Synallagma“, Bechmann): Kommt die 
Verpflichtung der einen Partei von vorn- 
herein nicht gültig zur Entstehung, etwa 
wegen Unmöglichkeit oder Unsittlichkeit 
des Inhalts, mangelnder Geschäftsfähig- 
keit des Schuldners, so fällt damit nicht 
minder auch die des Gegners, selbst 
wenn an sich wirksam versprochen, zu- 
sammen: der gV kann nur ganz oder gar 
nicht zustande kommen! 
b. In der Geltendmachung sind die bei- 
den Seiten des gV dadurch voneinander 
  
Gegenseitiger Vertrag. 
abhängig (,funktionelles Synallagma“, 
Bechmann), daß der daraus auf Leistung 
Verklagte dem Kläger, der die ihm ob- 
liegende Gegenleistung seinerseits noch 
nicht erfüllt hat oder nicht mindestens 
gleichzeitig anbietet, die Einrede des 
nichterfüllten Vertrages entgegensetzen 
kann, B 320—322. Das ist aber, wie schon 
im RömR (exceptio non adimpleti con- 
tractus), eine wahre Einrede, ein Gegen- 
recht; keineswegs richtetsich derAnspruch 
aus dem gV von vornherein, wie nach ALR, 
nur auf Leistung gegen Gegenleistung. 
Der Richter darf daher nicht etwa von 
Amts wegen auf das Gegenrecht des Be- 
klagten Rücksicht nehmen. Die Einrede 
ist gegenüber den meisten anderen Ein- 
reden insofern sogar noch schwächer, als 
sie nicht zur Abweisung der Klage führt; 
der Beklagte wird vielmehr zur Leistung 
demungeachtet verurteilt, nur nicht zur 
reinen Leistung, sondern zur Leistung Zug 
um Zug gegen die Gegenleistung oder, 
bei Vorleistungspflicht des Klägers, nach 
deren Empfang. Mußte umgekehrt der 
Beklagte gemäß dem Vertrage vorleisten, 
z. B. er hatte auf Kredit verkauft, so steht 
ihm die Einrede natürlich an sich nicht zu, 
s. nur den besonderen Fall in B 321. 
c. Auch in ihrem späteren Werdegang 
werden die Pflichten aus dem gegensei- 
tigen Vertrage voneinander beeinflußt: 
es fragt sich nämlich, wie es auf die 
Pflicht der einen Partei einwirke, wenn 
die der anderen, etwa wegen Unterganges 
des von ihr zu leistenden Gegenstandes, 
nachträglich wegfällt. Die Römer ließen 
dadurch beim Kauf keine Änderung ein- 
treten; der Käufer blieb verpflichtet, auch 
wenn die verkaufte Sache vor Ablieferung 
an ihn zugrunde ging (‚„emtoris est peri- 
culum‘‘%). Anders dagegen bei der Miete, 
wo es hieß: „locatoris est periculum.“ 
Das geltende Recht hat, nach dem Vor- 
bild der meisten neueren Gesetzgebungen, 
darin eine grundsätzliche Änderung ein- 
treten lassen. Es scheidet die Fälle, wo 
die Unmöglichkeit der einen oder anderen 
Leistung, unverschuldet entstanden, von 
keinem von beiden zu vertreten war, und 
diejenigen, wo sie teils der Gläubiger, 
teils der Schuldner der unmöglich gewor- 
denen Leistung zu vertreten hatte. 
a. Bei unverschuldeter Unmöglichkeit 
der Leistung des einen Teils wird, B 323, 
auch der leistungsfähig gebliebene Geg- 
ner ohne weiteres frei, und hatte er sei-
	        
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