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Sinne des B 6 als „geistesschwach‘‘,
das andere Mal als „geisteskrank“‘ gelten
kann. Gemäß all dem ist unter „Gk“ eine
krankhafte Störung der Geistesfunktionen
zu verstehen, durch welche die freie Wil-
lensbestimmung aufgehoben ist (S 51).
Jedenfalls ist bedeutungsvoll, daß
man die medizinischen Begriffe Gk und
Geistesschwäche nicht mit den gleichlau-
tenden juristischen verwechselt. Cohn.
Geistesstörung ist im allgemeinen
alles das, was unter „Bewußtlosigkeit‘‘
sich subsumieren läßt. Der Begriff der
„krankhaften Störung der Geistestätig-
keit‘ des S 51 ist nach P. Daude um-
fassender als der der Geisteskrankheit.
Die Bewußtlosigkeit im vollen Sinne des
Wortes tritt nur auf nach einer stärkeren
akuten Gehirnerschütterung, in tiefer Nar-
kose und tiefem Sopor. Bewußtlosigkeit
im Sinne des S 51 bezeichnet einen erheb-
lichen Grad von Bewußtseinstrübung, d.i.
einer Störung oder Verminderung bzw
Aufhebung jener Empfindung, welche
einem jeden normalen, gesunden Indivi-
duum seiner Umgebung gegenüber eigen
und für die Beziehung seines Ich zur
Außenwelt wichtig ist. Geistig abnorme
Zustände mit vorwiegender Trübung des
Bewußtseins entsprechen dem gesetz -
lichen Begriff der Bewußtlosigkeit, so z.B.
sinnlose Trunkenheit, Fieberdelirien bei
akuten Infektionskrankheiten, ebenso wäh-
rend dieser unternommene unverständige
Handlungen; so erlebte ich derartige in
mehreren Fällen bei Influenzakranken.
Nachträglich zeigten diese keine Erinne-
rung hierfür; ein Patient (ein Arbeiter)
war während der Influenzaepidemie (1892
im Winter) erkrankt; am zweiten Tage
seiner Erkrankung hatte er sich nur leicht
angekleidet und war während mehrerer
Stunden über Feld durch den Schnee ge-
laufen, nach Hause zurückgekehrt und
hatte sich dann wieder ins Bett gelegt; am
nächsten Tage hatte er von seiner Wande-
rung nur eine ganz geringe Erinnerung.
Hätte er in diesem Zustand irgendein De-
likt begangen, so hätte hierbei der Begriff
der Bewußtlosigkeit des S 51 Platz grei-
fen müssen. Schlaftrunkenheit bei Über-
müdeten kann unter Umständen als ‚Be-
wußtlosigkeit‘ im Sinne des angezogenen
Paragraphen gelten. „Krankhafte Störung
der Geistestätigkeit‘‘ und „Bewußtlosig-
keit‘ lassen sich im allgemeinen schwer
voneinander abgrenzen. „Bewußtlosig-
Geisteskrankheit — Geistiges Eigentum.
keit‘‘ im epileptischen Dämmerzustand,
bei Hysterie, bei Morphinismus in dem
Falle, in welchem der Kranke z. B. das Mor-
phium sich mittels Urkundenfälschung ver-
schafft u. ä., dürften eher dem Begriff der
Geistesstörung bzw „krankhaften Störung
der Geistestätigkeit‘‘ als dem ‚der Be-
wußtlosigkeit‘‘ unterzuordnen sein. Da-
gegen darf man in den Fällen von Hand-
lungen, die bisweilen in der Schwanger-
schaft, im Wochenbett, in der Pubertät, im
Greisenalter usw begangen werden, aber
nicht derart sind, daß sie der dem’ Sinne
des S 51 entsprechenden Bewußiseinstrü-
bung zufallen könnten, und bei denen so-
nach nicht die Annahme zutrifft, daß ‚freie
Willensbestimmung ausgeschlossen war“‘,
zwar psychiatrisch, aber nicht forensisch
von „Geistesstörung‘‘ sprechen! Cohn.
Geisteszerrüttung ist ein in der
österreichischen Strafgesetzgebung vor-
kommender Terminus. Medizinisch bzw
psychiatrisch ist ein solcher Begriff wie
der der „Geisteszerrüttung‘ nicht aner-
kennbar. In einem Zustand, der z. B. nach
Kopfverletzungen noch nach längerer Zeit
mehr oder weniger Gedächtnisschwäche,
verbunden mit einer distinktiven Insuffi-
zienz, aufweist, wird man stets von einer
Geisteskrankheit bzw Geistesschwäche
sprechen, nicht von „Geisteszerrüttung‘‘.
Auch dann wird man dies nicht tun, wenn
die Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit, „be-
gründete Hoffnung‘ vorhanden ist, daß
der zurzeit bestehende Zustand nach Mo-
naten oder Jahren sich bessert; es besteht
stets eine „Geisteskrankheit‘‘ nach psychi-
atrischem Begriff und ebenso steht für den
medizinischen Sachverständigen allein der
konkrete Fall mit dessen möglichem oder
wahrscheinlichem günstigem Ausgange
zur Begutachtung, während dem Richter
die Interpretation und Anwendung des
Gesetzes überlassen bleibt. Hierbei wird
auch gewöhnlich die Frage gestellt, ob das
Leben des Verletzten durch die Behand-
lung seitens des Täters gefährdet war;
auch bei der Beantwortung dieser Frage
ist der vorliegende Einzelfall mit allen sei-
nen Eigenheiten zu zergliedern und z. B.
darzulegen, daß nur ganz besonders gün-
stige Umstände einen schweren Folge-
zustand, vielleicht gar den Tod verhütet
haben.
Casper-Liman GerMedizin 1.
Geistiges Eigentum s. Urheberrecht.
Cohn.