Gens.
Pauly-Wissowa Realenzykl s. v.
clientes; s. übrigens clientes, patricii, ple-
beii; Bernhöft Staat und Recht der
röm Königszeit 42f, 127 ff.
Die Zahl der gentes war ursprünglich
nicht geschlossen, wir kennen ältere und
jüngere Geschlechter — gentes maiores
und minores — und noch in republikani-
scher Zeit sind einerseits die Tarquinii aus
dem Staatsverbande ausgeschieden und
hat andererseits die gens Claudia Auf-
nahme gefunden.
Dieser Charakter der gens als Familien-
verband, der früher zuweilen, so vor allem
von Niebuhr, bestritten wurde, der in ihr
nur eine politische Unterabteilung der Ku-
rie erkennen wollte — siehe hiergegen
Mommsen RömStR II 1, 12 Note 3
— wird heute wohl allgemein anerkannt.
Wie schon die auf der Wurzel dschan, ge-
boren werden, beruhende Bezeichnung
gens — y£vos, sowie die Gleichheit des
Familiennamens sämtlicher Gentilen an-
deutet, beruhen die gentes auf der natür-
lichen Verwandtschaft, die, wie uns die
vergleichende Rechtswissenschaft lehrt,
überall die Grundlage für die älteste Or-
ganisation der Menschheit bildet. Ähn-
liche Verbände finden wir übrigens allent-
halben und speziell bei sämtlichen indo-
germanischen Völkerzweigen wieder, wo
sie uns als y&vn, Clans, Sippen etc entge-
gentreten. Das Charakteristische des in-
dogermanischen Geschlechts ist es übri-
gens, daß es durchweg vaterrechtlich or-
ganisiert ist, d. h. nur die Verwandtschaft
im Mannesstamme berücksichtigt, was wir
ebenfalls bei der römischen gens beob-
achten können.
Wenn so die Geschlechtsverbände auch
aus der Familie hervorgegangen sind, so
sind sie dennoch nicht einfach als eine er-
weiterte Familie anzusprechen ; sie bilden
vielmehr, da den meisten indogerma-
nischen Stämmen ein Erstgeburtsrecht
fremd ist, regelmäßig eine, auf dem Prin-
zip der Gleichberechtigung beruhende Ge-
nossenschaft zu gegenseitigem Schutz und
zur Unterstützung nach innen und nach
außen. — Dementsprechend ist denn auch
die älteste und allgemeinste Funktion des
Geschlechtsverbandes die Verpflichtung
zur Blutrache für die Tötung eines der
Ihrigen, von der sich auch in Rom noch
schwache Spuren erhalten haben, vgl Ser-
vius ad Verg eclog IV 43; Festus s. v.
subigere. Das Gegenstück hierzu bildet |
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es, daß bei Streitigkeiten unter Mitglie-
dern anfangs die gens als Gerichtshof fun-
giert haben wird, wie der Fall des M.
Manlius nahelegt, wo die gens beschließt,
daß hinfort kein Gentile den Vornamen
Marcus führen soll. Freilich fehlt in histo-
rischer Zeit diesen Beschlüssen bindende
Kraft, vgl Mommsen RömStR Ill 1,
18. Daß dieses Vorgehen aber vor dem
Aufkommen der staatlichen Gerichts-
hoheit eine wirkliche Strafgewalt voraus-
setzt, leuchtet ein.
Diese älteste Gestalt der gens hat sich
indessen in der historischen Zeit wesent-
lich modifiziert. Die Auffassung, welche
die Römer selbst von ihr hatten, kennen
wir aus der uns von Cicero Top 6, 29 über-
lieferten Definition des @. Mucius Scae-
vola, die folgendermaßen lautet: Gentiles
sunt inter se, qui eodem nomine sunt, qui
ab ingenuis oriundi sunt, quorum maiorum
nemo servitutem servivit, qui capite non
sunt deminuti. Vgl daneben Ulpian in
1 195 8 4 D 50, 16: Item appellatur fami-
lia plurium personarum, quae ab eiusdem
ultimi genitoris sanguine proficiscuntur
— sicut dicimus familiam Juliam — etc,
s. auch Festus s. v. Gentilis.
Die gens ist demnach eine Gesamtheit
freier Personen, die, ohne ihre Verwandt-
schaft nachweisen zu können, als von
einem gemeinsamen Ahn abstammend
angesehen werden und infolgedessen
durch gewisse religiöse und rechtliche Be-
ziehungen miteinander verbunden sind.
Durch jede capitis deminutio wird da-
gegen der Gentilzusammenhang ver-
nichtet.
Der Schwerpunkt ihrer rechtlichen Wir-
| kung hat sich allmählich verschoben, denn
während die öffentlich-rechtliche Bedeu-
tung der gens in der ältesten Zeit sehr
erheblich gewesen sein muß, wie wir noch
daraus erkennen können, daß der Senat
ursprünglich nichts anderes als die Ver-
tretung der einzelnen gentes war — s. pa-
tricii, Senatorenstand —, ist sie später in
den Hintergrund getreten, und in histo-
rischer Zeit ist die Rechtssphäre der
gentes vorwiegend die private, die sich
in zwiefacher Richtung, in sakraler
und in vermögensrechtlicher Beziehung
kundtut.
Jede gens besitzt nämlich, vielleicht ur-
sprünglich in Erinnerung an den gemein-
samen Stammvater, einen besonderen
Kult, der sorgfältig beobachtet und auf