Gentz — Gerichtsherr.
wurde aber (seit 1792) ihr Gegner (zu-
nächst mit den Übersetzungen der anti-
revolutionären Schriften Burkes) und als
solcher der Stimmführer der deutschen
Publizistik zur Zeit der französischen Re-
volution und einer der bedeutendsten li-
terarischen Gegner Napoleons (freilich
nicht ohne zahlreiche Inkonsequenzen in
den von ihm vertretenen Anschauungen
zu zeigen). In der Restaurationsperiode
(teilweise bestimmt durch materielle .
Rücksichten) bedingungsloser Anhänger
des europäischen reaktionären Systems,
von weitreichendem politischem Einfluß
(so geht die Erklärung vom 14. Dez 1819,
daß unter „landständischen Verfassun-
gen‘‘ Ständevertretungen gemeint seien,
auf ihn zurück), hat er in einem vielbe-
wegten Leben (abgesehen von zahlreichen
Staatsschriften und Entwürfen diplomati-
scher Urkunden) viel veröffentlicht, was,
aus zufälligem äußerem Anlaß geschrie-
ben, nur ephemeren Charakter haben
konnte, und manches von bleibender Be-
deutung. Große Schwächen seines Cha-
rakters freilich ließen viele Beurteiler die
bedeutenden Eigenschaften seines Talen-
tes übersehen, und darum lebt er noch im-
mer im Urteile der Nachwelt als feiler
Tagesschreiber fort, obwohl schon ge-
wichtige Stimmen nicht eine historische
Ehrenrettung des Menschen Gentz, wohl
aber eine Revision des ungerechten Ur-
teils über den Staatsmann gefordert
haben.
Unter seinen literarischen Arbeiten sind zu
verzeichnen: Über den Ursprung und die ober-
sten Prinzipien des Rechts, 1791 ; Ober den Ein-
fluß der Entdeckung von Amerika, 1795; Send-
schreiben an den König von Preußen Friedrich
Wilhelm Ill., Berlin 1797 (Leipzig 20); Neue
deutsche Monatsschrift, Berlin 1795; Histori-
sches Journal, Berlin 1799—1800; Über den
Ursprung und Charakter des Krieges gegen die
französische Revolution, Berlin 1801; Über
den politischen Zustand von Europa vor und
nach der Revolution, Berlin 1801—02, II;
Authentische Darstellung des Verhältnisses
zwischen England und Spanien, Petersburg
1806; Fragmente aus der neuesten Geschichte
des politischen Gleichgewichts in Europa,
Petersburg 1806 (Leipzig 14); Ideen über die
Bildung eines germanischen Staatenbundes,
Leipzig 14, und zahlreiche andere Aufsätze,
die größtenteils von Weick (Stuttgart 36
bis 38, V) und Schlesier (Mannheim 38 bis
40, V) gesammelt wurden. Auch die viel-
fachen Veröftentlichungen aus seinem Nach-
lasse sind wertvoll, unter ihnen sind hervorzu-
heben: M&moires et lettres inedites, Stuttgart
41; Tagebücher, Leipzig 73—74, IV; Aus dem
Nachlasse, Wien 67, N; Schreiben an einen
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vertrauten Freund (Sybels Historische Ztschr
02 245, die „beste Darstellung der zentralen
Behördenorganisation am Anfange des
19. jahrhunderts sowie sein umfangreicher
Briefwechsel: mit Adam Heinrich Müller 1800
bis 1829, Stuttgart 57, mit Pilat, Leipzig 68, 11,
und andere Sammlungen politischer Briefe:
Wien 70, Paris 76, Wien 77. Bogeng.
genus perire non censetur s. Ge-
fahr, Gattungsschuld.
Genußmittel s. Nahrungsmittel.
Genußschein s. Aktiengesellschaft.
Gerade s. Erbrecht.
Gerber, Karl Friedrich Wilhelm von,
* 11. April 1823 zu Ebeleleben, habilitierte
sich 1844 in Jena, wo er 1846 a. o. Pro-
fessor wurde. 1847 ging er als o. Pro-
fessor nach Erlangen, 1851 wurde er Kanz-
ler der Universität Tübingen, 1857—60
gehörte er als württembergisches Mitglied
den Nürnberger und Hamburger Kom-
missionen für die Vorbereitung des all-
gemeinen Handelsgesetzbuches für die
deutschen Bundesstaaten an, um dessen
Vollendung er sich vielfache Verdienste
erwarb. 1862 folgte er einem Rufe als
o. Professor nach Jena, siedelte jedoch
schon 1863 in gleicher Eigenschaft nach
Leipzig über. 1871 trat er an die Spitze
des sächsischen Kultusministeriums. Er
rt in Dresden am 23. Dez. 1891.
Außer seinen Hauptwerken: System des
deutschen Privatrechtes, Jena 48 (17. Aufl
von Cosack 95), in dem er, als Haupt der ro-
manistischen Germanistenschule Bedeutendes
für die Klärung deutsch-rechtlicher Begrifte ge-
leistet hat, und Grundzüge eines Systems des
deutschen Staatsrechts, Yena 48 (3. Aufl Leip-
zig 80), und den in Zeitschriften (insbesondere
in den von ihm mit Jhering 1857 begründeten
Jahrbüchern für die Dogmatik des römischen
und deutschen Privatrec Is) erschienenen Ar-
beiten sind von seinen zahlreichen Schriften
hervorzuheben: Das wissenschaftliche Prinzip
des deutschen Privatrechts, Jena 46; Gesam-
melte juristische Abhandlungen, Jena 72.
(Über öftentliche Rechte, 52.) Bogens.
Gericht s. die einzelnen Gerichte.
Gerichtliche Medizin s. Medizin,
Strafrecht.
Gerichtsbann s. Bann.
Gerichtsferien, die Zeit vom 15. Juli
bis zum 15. Sept, während welcher eine
Verminderung der gerichtlichen Tätig-
keit eintritt; vgl G 201—204.
Gerichtsgebrauch s. Präjudizienkult.
Gerichtsherr. G(erichts)h(erren) sind
die militärischen Befehlshaber, die sich mit
den erkennenden Gerichten in die Aus-
übung der Militärstrafgerichtsbarkeit tei-
len. Sie sind die Hauptorgane der Mi-
litärstrafrechtspflege. Ihre Gerichts-