Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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willigen, — 3. sein Gewalthaber muß ein- 
willigen ; — dieses Erfordernis fällt jedoch 
fort, wenn die elterliche Gewalt fehlt, 
oder wenn es sich um eine minderjährige 
Witwe handelt. — Außerdem soll das 
Amtsgericht feststellen, daß die Volljäh- 
rigkeitserklärung das Beste des Mündels 
befördert. 
Il. Das Geschlecht begründet eine Ver- 
schiedenheit in der Rechtsstellung im all- 
gemeinen nicht mehr. 1. Für Frauen gilt, 
daß sie mit 16 Jahren ehemündig werden; 
sie können eine ihnen angetragene Vor- 
mundschaft ablehnen. — 2. Verheiratete 
Frauen stehen in den Angelegenheiten 
der Ehe unter der Führung des Mannes. 
Die Witwe hat ein Trauerjahr zu respek- 
tieren. Die Frau ist in Ausübung der elter- 
lichen Gewalt ev an die Mitwirkung eines 
Beistandes gebunden. 
Ill. Körperliche Schwächen, z. B. Ge- 
brechlichkeit, können Anlaß zur Einset- 
zung einer Pflegschaft sein. Bei Testa- 
menten (s. d.) Blinder und Taubstummer 
bestehen Besonderheiten. — Taubstumme 
stehen in bezug auf unerlaubte Handlun- 
gen (s. d.) den Minderjährigen zwischen 
vollendetem 7. und 18. Lebensjahre gleich. 
IV. Geistige Abnormitäten begründen 
eine Aufhebung oder Verminderung der 
Geschäftsfähigkeit. 1. Geisteskrank ist, 
wer durch eine tiefeingreifende Gehirn- 
erkrankung aus dem Rechtsverkehr aus- 
geschaltet werden muß, weil die ihm inne- 
wohnende Initiative krankhaft betont ist 
und deshalb seine Handlungen unbe- 
rechenbar und vernunftwidrig gestaltet 
sind. (S. Geisteskrankhheit.) — 2. Gei- 
stesschwach ist, wer infolge einer nicht 
akut auftretenden Gehirnerkrankung Be- 
schränkungen in der Fähigkeit zur Bil- 
dung eines selbsttätigen Rechtswillens er- 
litten hat, ohne daß bei ihm eine starke 
Initiative zu erwarten ist. Beispiele: Per- 
sonen, die von Jugend an geistig zurück- 
geblieben sind oder als geistig Gesunde 
nach und nach ihre Geisteskraft verloren 
haben; so namentlich bei Stumpfsinn, 
Blödsinn, Greisenwahn. — 3. Verschwen- 
der ist, wer sein Vermögen sinnlos ver- 
tut. — 4. Trunksüchtig ist, wer einen ein- 
gewurzelten Hang zum Genusse berau- 
schender Getränke hat. 
V. Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit 
des selbständigen Rechtssubjektes, bei 
rechtsgeschäftlichen Vorgängen Willens- 
  
Geschäftsfähigkeit. 
erklärungen mit Rechtswirksamkeit ab- 
zugeben oder entgegenzunehmen. 
In bezug auf die G lassen sich drei 
Klassen von Subjekten unterscheiden. 
1. Volle G hat: a. wer 21 Jahre alt ist; — 
b. wer für volljährig erklärt ist. 
2. Beschränkt geschäftsfähig sind: 
a. Minderjährige, d. h. Menschen zwi- 
schen 7 und 21 Jahren; — b. entmün- 
digte Geistesschwache, entmündigte Ver- 
schwender, entmündigte Trunksüch- 
tige; — c. wer unter vorläufige Vor- 
mundschaft gestellt ist. 
- 3. Geschäftsunfähig sind: a. Kinder, das 
sind Menschen bis zum 7. Jahre; — b. wer 
in einem die freie Willensbestimmung 
ausschließenden Zustande krankhafter 
Störung der Geistestätigkeit sich befindet, 
sofern nicht der Zustand seiner Natur 
nach vorübergehend ist; — c. entmün- 
digte Geisteskranke. 
VI. Voraussetzungen der Entmündi- 
gung: 1. Geisteskranke oder Geistes- 
schwache: wenn sie ihre Angelegenheiten 
nicht zu besorgen vermögen; — 2. Ver- 
schwender: wenn sie sich oder ihre Fami- 
lie der Gefahr des Notstandes ausset- 
zen; — 3. Trunksüchtige: wenn wie zu 1 
oder wie zu 2 oder wenn sie die Sicherheit 
anderer gefährden. Entmündigungsver- 
fahren: Z 645—687; s. Art. Entmündi- 
gungssachen. 
VII. Wirkungen der Geschäftsunfähig- 
keit: 1. Die Willenserklärung eines Ge- 
schäftsunfähigen ist nichtig. Er kann sich 
selbständig nicht berechtigen; ob er Be- 
sitz erwerben kann, ist streitig. — 2. Nich- 
tig ist auch eine Willenserklärung, die im 
Zustande der Bewußtlosigkeit oder vor- 
übergehender Störung der Geistestätig- 
keit abgegeben wird. 
VIII. Beschränkte G: 1. Eine Verbesse- 
rung der Rechtslage kann der beschränkt 
Geschäftsfähige selbständig bewirken. — 
2. Eine Verschlechterung der Rechtslage, 
z. B. durch Übernahme einer Verpflich- 
tung, ist grundsätzlich nur mit Einwilli- 
gung des gesetzlichen Vertreters zulässig. 
a. Ein einseitiges Rechtsgeschäft ohne 
Einwilligung des gesetzlichen Vertreters 
ist unwirksam (B 111); b. ein Vertrags- 
abschluß ohne Einwilligung des gesetz- 
lichen Vertreters ist von dessen Geneh- 
migung abhängig; der andere Vertrags- 
teil kann den gesetzlichen Vertreter zur 
Erklärung über die Genehmigung auffor- 
dern; wird sie binnen 2 Wochen nicht
	        
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