Geschlechtsteile — Geschlechtstrieb.
schlimmste Art des Vaginismus; meist
liegt aber eine Hyperästhesie vor, eine
Neurose des Genitalapparates. Verwach-
sungen bzw Verengerungen der Scheide,
wie sie nach Typhus, nach Vaginaldi-
phtheritis vorkommen, können bisweilen
auch Ursachen von Beischlafsunfähigkeit
bzw Sterilität sein.
Beim Manne können Verletzungen der
Geschlechtsteile in Gestalt von Verstüm-
melung des Gliedes, Abschneiden dessel-
ben, eines oder beider Hoden Anlaß zu
gerichtlichen Feststellungen geben und je
nachdem eine Aufhebung, öfter eine Er-
schwerung der Zeugungsfähigkeit, biswei-
len auch nur eine „Entstellung‘‘ herbei-
führen. Cohn.
Geschlechtstrieb ist ein natürlicher
Trieb, der die Erhaltung der Gattung zum
Ausgang und Inhalt hat. Der Naturtrieb
des Hungers, Durstes, Schlafes usw ist
ein Trieb zur Erhaltung des Individuums
und wird daher zu einem unbezwing-
lichen, der gegebenenfalls Unzurech-
nungsfähigkeit im Sinne des S 51 verur-
sachen kann. Für den G(eschlechts)t(rieb)
hat dies keine Geltung! Einem von einem
gesunden Individuum begangenen Delikt
(Notzucht, Blutschande oder dgl m.) kann
nicht der Vorwand entgegenstehen, daß
es auf Grund eines übermächtigen Gt
und daher unwiderstehlich bzw in einem
Zustande von dem Täter verübt worden
sei, der dessen freie Willensbestimmung
ausschloß. Dies um so weniger, als ge-
rade längere Nichtbefriedigung des Gt ihn
nicht nur verringert, sondern sogar gänz-
lich unterdrücken kann. Allerdings ist bei
kranken Individuen der Gt bisweilen über-
mäßig gesteigert; alsdann wird aber die
Untersuchung ergeben müssen, daß ein
und welcher Krankheitszustand vorliegt.
Namentlich im Beginne der Paralyse (Ge-
hirnerweichung) wurden Ausschweifun-
gen und maßlos bis zur Satyriasis ge-
steigerter Gt — einem Zustande bestän-
diger übermäßiger sexueller Erregbar-
keit — beobachtet, die den Verdacht auf
die keimende Krankheit nahelegen muB-
ten; dieser wurde auch dann durch deren
Fortschreiten bestätigt. Es handelt sich in
derartigen Fällen um die Wirkung, die das
erkrankte Gehirn speziell auf die Erre-
gung der Geschlechtsnerven übt. Mastur-
bation (Selbstbefleckung = Onanie) findet
sich häufig bei Geisteskranken, so bei
schweren Hypochandern und hypochon-
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drischen Melancholikern. Hierher gehört
auch die sexuelle Perversität oder kon-
träre Sexualempfindung (Päderastie,
amor lesbicus, Homosexualität), die häu-
fig auf der Basis der Degeneration sich
entwickeln. Bekannt ist auch die bei
Schwindsüchtigen gesteigerte sexuelle Er-
regbarkeit; Greisenschwachsinnige, Neur-
astheniker zeigen ebenfalls ein gestei-
gertes Bedürfnis nach sexuellen Taten,
die bei den ersteren häufig genug deren
Schwachsinn sogleich offenbaren. Homo-
sexuelle behaupten häufig, sie, als Ange-
hörige des dritten Geschlechts, besäßen
ein besonders geartetes Empfinden und
einen besonders gearteten Trieb; ihre
homosexuelle Neigung sei auch derart,
daß sie dieser keinen Widerstand ent-
gegensetzen könnten. Das ist nicht rich-
tig! Bei ihnen, wie auch bei den normal-
geschlechtlich Empfindenden, ist selbst-
verständlich der Gt individuell sehr ver-
schieden. Handlungen, die von Homo-
sexuellen in puncto Sittlichkeitsverbrechen
verübt werden, unterliegen daher auch
keiner anderen Schätzung als die von
sonst gesunden Heterosexuellen begange-
nen. Hier wie dort ist nur die Prüfung
zulässig und nötig, ob der Täter den
Schutz des S 51 für sich in Anspruch neh-
men darf oder nicht. Nur wenn die Ho-
mosexualität sich als eine Teilerscheinung
einer Geisteskrankheit (epileptische Dege-
neration, Paralyse usw) herausstellt und
sonach ein recht hoher Grad von Degene-
ration bei dem homosexuellen Täter vor-
liegt, kann ihm der Schutz des S 51 ge-
währt werden. Allein wenn auch durchdie
Anwendung dieses Paragraphen die Mög-
lichkeit gegeben ist, den als geisteskrank
erkannten Homosexuellen in einer Irren-
anstalt zu internieren bzw ihn zu entmün-
digen, da er ja seine Angelegenheiten
nicht zu besorgen vermag, so genügt doch
die aus der bloßen homosexuellen Ge-
schlechtsneigung etwa hervorgehende Ge-
meingefährlichkeit ohne weiteres und für
sich allein noch nicht zur Unschädlich-
machung oder Entmündigung der betref-
fenden Persönlichkeit. Nebenbei bemerkt
mit Recht: denn es widerspricht dem
Zweck der Irrenanstalten als Krankenan-
stalten; diese haben nur Kranke aufzu-
nehmen, zu pflegen und gegebenenfalls
zu heilen, nicht aber ihre Patienten in die
Gesellschaft mit Verbrechern zu bringen,
durch welche ihnen ein gefängnisartiger
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