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Mißhandlung. Oder wenn die Herrschaft
verreist oder verzieht und es nicht über-
nehmen will, den Dienstboten zum Ab-
lauf der Dienstzeit kostenfrei zurückzu-
senden.
Vor Ablauf der Dienstzeit, aber nach
Kündigung kann die Herrschaft einen
Dienstboten entlassen, wenn ihm die nö-
tigen Fähigkeiten fehlen oder ihre Ver-
mögensumstände sie zur Einschränkung
zwingen, $$ 143f. Für Hirten gilt auch
$S 16 Feld- und Forstpolizeiges. Dienst-
boten können unter der Zeit nach Kündi-
gung abgehen, wenn die Herrschaft den
Lohn nicht richtig zahlt oder das Gesinde
einer Öffentlichen Beschimpfung eigen-
mächtig aussetzt, oder wenn der Dienst-
bote durch Heirat oder sonst Gelegenheit
erhält, sich selbständig zu machen,
88 145ff. In allen diesen Fällen muß das
laufende Vierteljahr, bei monatsweise ge-
mietetem Gesinde der laufende Monat
ausgehalten werden, $ 148. Wenn die
Eltern des Dienstboten ihn nicht mehr ent-
behren können oder er selbst eine weite
Reise unternehmen muß, kann er ebenfalls
seine Entlassung fordern, muß aber Er-
satz stellen, $ 149.
Der mit Recht während der Dienstzeit
entlassene Dienstbote erhält Lohn und
Kost oder Kostgeld nur für die abgediente
Zeit, $ 150. Dasselbe gilt, wenn der
Dienstbote zwar vorzeitig, aber nach Kün-
digung den Dienst zu verlassen berechtigt
ist, $ 151. Geht er aber mit Recht ohne
Kündigung ab, so erhält er Lohn und Kost
für das laufende Vierteljahr; ist er mo-
natsweise gemietet, nur für den laufenden
Monat, $ 152. War der Kündigungstermin
schon verstrichen, so erhält er Lohn und
Kost auch für das folgende Vierteljahr
oder für den folgenden Monat, 8 153.
Wegen der Livree vgl 8$ 154—159.
Entläßt eine Herrschaft das Gesinde
vorzeitig ohne gesetzmäßige Ursache, so
muß dieses polizeiliche Vermittelung
nachsuchen, $ 160. Weigert sich die
Herrschaft trotz Aufforderung der Polizei,
das Gesinde wieder anzunehmen, so muß
sie Lohn, Kost und Livree für den Rest
der Dienstzeit entrichten, soweit nicht das
Gesinde anderweit unterkommt, 88 161 ff.
Gesinde, das vorzeitig ohne gesetzmäßige
Ursache den Dienst verläßt, muß von der
Polizei durch Zwangsmittel zu dessen
Fortsetzung angehalten werden, $& 167.
Die Herrschaft braucht aber das Gesinde
Gesindedienstvertrag — Gesinderecht.
nicht wieder anzunehmen, es muß dann
Schadensersatz leisten und wird außerdem
bestraft, $ 168, jetzt gemäß Ges betr die
Verletzungen der Dienstpflichten des Ge-
sindes und der ländlichen Arbeiter vom
24. April 1854.
Bei dem Abzuge muß die Herrschaft
dem Gesinde einen Entlassungsschein
und ein Zeugnis erteilen, $ 171. Letzte-
res ist in das Gesindebuch einzutragen,
worüber Verordnung vom 29. Sept 1846
und $ 4 des Ges vom 21. Febr 1872 Nähe-
res bestimmen. Enthält der Entlassungs-
schein Beschuldigungen, die das Fortkom-
men des Gesindes hindern würden, so
kann es auf polizeiliche Untersuchung an-
tragen, 8 172. Werden die Beschuldigun-
gen für unbegründet befunden, so fertigt
die Polizei einen Entlassungschein auf
Kosten der Herrschaft aus, $ 173. Hat
die Herrschaft einem Gesinde, das sich
grober Laster und Veruntreuungen schul-
dig gemacht hat, das Gegenteil wider bes-
seres Wissen bezeugt, so muß sie die fol-
gende Herrschaft wegen des dieser durch
solche Laster und Veruntreuungen er-
wachsenden Nachteils entschädigen und
wird außerdem bestraft, 88 174 ff.
Dernburg Preuß Privatrecht 2 195; Foerster-
Eccius 4 237 ff; Stobbe Deutsches Privatrecht 8 187;
Koch Kommentar zuALR8, 5 $$ 1 ff; Zürn Handbuch
des preuß Gesinderechts,;, Posseldt-Lindenberg Pr
Gesinderecht; Rehbein Entsch d. ObTrib 4 697 ff; Mot
x. B2 274, z. Einf-B 167, Prot 6 380, Kommissionsbericht
61; Dernburg Bürg Recht 2? 8311 ff; Cordes Aufrech-
nung und Zurückbehaltungsrecht gegenüber Gesindelohn-
forderungen in JW 07 383; Fromherz deagl in DJZ
07 1248. Land.
Gesinderecht (Bayern). Es gilt für
die Dienstboten, das sind alle Personen,
die ihre Arbeitskraft zu häuslichen oder
niederen landwirtschaftlichen Verrichtun-
gen auf längere Zeit gegen bestimmten
Lohn vermieten, wobei mit dem Lohn re-
gelmäßig die unentgeltliche Gewährung
von Kost und Wohnung durch den
Dienstherrn verbunden ist. Der Dienst-
vertrag kann mündlich oder schriftlich ge-
schlossen werden ; er bedarf keiner beson-
deren Form. Der Dienstbote ist der
Dienstherrschaft zur Treue verpflichtet;
er hat den Anordnungen der Dienstherr-
schaft oder ihres Vertreters in Ansehung
der ihm nach dem Vertrage und der Sitte
obliegenden Verrichtungen und der häus-
lichen Einrichtungen Folge zu leisten, der
Dienstherrschaft und ihrem Vertreter Ach-
tung zu erweisen und sich anständig zu
führen. In Fällen der Not hat er vorüber-
gehend auch solche seinen Kräften und
seiner Stellung entsprechende Dienste zu