Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

648 Gewerbebetrieb im Umherziehen — Gewerbefreiheit im allgemeinen. 
Konzession in Form des Wandergewerbe- 
scheins, Reger 3 254. 
Der Gwb i. U. ist an Sonntagen verbo- 
ten, doch sind Ausnahmen zulässig, Gw 
55a. Eine ganze Reihe von Waren sind 
vom Feilhalten und Ankauf in Umher- 
ziehen ausgeschlossen, Gw 56 führt sie 
auf und bestimmt Besonderes über Druck- 
schriften und Bildwerke. Ferner sind 
ausgeschlossen vom Gwb i. U. die Aus- 
übung der Heilkunde durch Nichtappro- 
bierte, Vermittlung von Darlehnsgeschäf- 
ten etc, das Aufsuchen von Bestellungen 
auf Spirituosen bei Nichtschankwirten und 
Abzahlungsverkäufe, Gw 56a; s. a. Gw 
56b, sowie der Warenverkauf im Wege 
des Glücksspiels oder der Ausspielung, 
Gw 56c. 
Die Bedingungen, unter denen der 
Wandergewerbeschein erteilt wird, regelt 
Gw 57ff. Der Gesetzgeber ist bei seinen 
Bestimmungen in erster Linie darauf be- 
dacht gewesen, so sehr als möglich un- 
saubere Elemente, in wörtlicher und über- 
tragener Bedeutung, vom Wanderge- 
werbe fernzuhalten. Der Wandergewerbe- 
schein gilt nur für denjenigen, dem er er- 
teilt wird, Gw 60a, er ist nicht an Ge- 
hilfen übertragbar, er gilt für die Dauer 
des Kalenderjahrs und für das ganze 
Reich, Gw 60, kann jedoch gemäß Gw 
58 zurückgenommen werden. 
Im Interesse der Volkswohlfahrt ist be- 
sonders bestimmt, Gw 60b, daß Minder- 
jährigen im Wandergewerbescheine die 
Beschränkung auferlegt werden kann, daß 
sie ihr Gewerbe nicht nach Sonnenunter- 
gang und daß minderjährige weibliche 
Personen es nur auf öffentlichen Straßen 
etc, nicht aber von Haus zu Haus betrei- 
ben dürfen. Über die Mitführung von an- 
deren Personen, insbesondere von Kin- 
dern, s. Gw 62. 
v. Landmann Kommentar z. GQw a.a.0.: Marc|- 
nowski Kommentar z. Gw a. a. O.; Schicker Kom- 
mentar z. Gw a.a. O.;, Schenkel Kommentar z. Gw 
8.8.0.; Berger- Wilhelmi Kommentar z.Gwa.a.0: 
G. Meyer Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts i 
und in Conrads Handwörterbuch; Löning dgl; v. Sten- 
gel dgl; Laband Staatsrecht des Deutschen Reichs 8; 
Zorn S3taatsrecht des Deutschen Reichs 2: M. Seyde| 
Das Gewerbepolizeigericht des Deutschen Reichs in den 
Annalen des Deutschen Reichs 81 569 f; Jacobi Die 
Gewerbegesetzgebung des Deutschen Reichs; O. Meves 
Die strafrechtlichen Bestimmungen der deutschen Gw, Er- 
langen 77; H. Rehm Die rechtliche Natur der Gewerbe- 
konzessionen, München 89; Zeller (ewerbepolizei in 
v. Stengels Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts 1. 
. eigelt. 
Gewerbefreiheit im allgemeinen. 
Wie bei fortschreitender Kultur die natür- 
liche Handlungsfreiheit des einzelnen im 
Interesse der Allgemeinheit überall be- 
  
stimmten Einschränkungen unterliegen 
muß, so auch auf dem Gebiete des Ge- 
werbewesens. Eine absolute G(e)w(er- 
be)f(reiheit) kann es daher nicht geben. 
Der Ausdruck „Gwf‘‘ bedeutet vielmehr 
nur, daß die Einschränkungen der natür- 
lichen Handlungsfreiheit auf dem gewerb- 
lichen Gebiete im Verhältnis zu früheren 
Zuständen auf ein geringeres Maß zurück- 
geführt worden sind und sich innerhalb 
der durch das Wohl des Staates und der 
Gesellschaft unbedingt gebotenen Gren- 
zen halten. Daraus, daß die einem steten 
Wechsel unterworfenen tatsächlichen Ver- 
hältnisse und deren Beurteilung auf die 
Bestimmung dieser Grenzen einen Ein- 
fluß ausüben müssen, ergibt sich zu- 
gleich, daß die Gwf nicht ein ein für alle- 
mal feststehender, sondern ein völlig rela- 
tiver Begriff ist. 
Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts 
unterlag in Deutschland die Befugnis zur 
Ausübung eines Gewerbes den mannig- 
fachsten Beschränkungen, von denen die 
auf der Zunftverfassung, den Gewerbe- 
berechtigungen und den Zwangs- und 
Bannrechten beruhenden besonders her- 
vorgehoben zu werden verdienen. Die 
Zünfte, die ursprünglich nur die Förde- 
rung der gewerblichen Interessen ihrer 
Mitglieder verfolgten, hatten allmählich 
obrigkeitliche Befugnisse erworben, die 
den sog Zunftzwang, d. h. die Verpflich- 
tung eines jeden Handwerkers, der Zunft 
seines Handwerks anzugehören, zur Folge 
hatten. Die Gewerbeberechtigungen 
waren zum großen Teil ausschließliche, 
insofern sie die Berechtigung enthielten, 
anderen den Betrieb eines Gewerbes, sei 
es im allgemeinen, sei es hinsichtlich eines 
bestimmten Betriebsmaterials, zu unter- 
sagen. Diese ausschließlichen Gewerbe- 
berechtigungen waren wiederum vielfach 
mit einem Zwangs- und Bannrechte ver- 
knüpft, worunter die in der Regel mit dem 
Besitze eines Grundstücks verbundene 
oder die einem dauernden Gemeinwesen 
zustehende Befugnis zu verstehen ist, von 
den Einwohnern eines bestimmten Be- 
zirks oder gewissen Klassen derselben zu 
verlangen, daß sie die Anschaffung be- 
stimmter Bedürfnisse oder die Anferti- 
gung gewisser Arbeiten bei keinem ande- 
ren als dem Berechtigten bewirken. 
Nachdem die französische Revolution 
das Vorrecht der Zünfte beseitigt und den 
Grundsatz der Gwf nicht nur in Frank-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.